Tron: Willkommen im Grid
»Tron: Ares« (2025). © Disney Enterprises, Inc.
Disneys »Tron« veränderte durch die erstmals ausgiebige Nutzung von CGI die Filmwelt. Jetzt kommt ein zweites Sequel ins Kino – in einer Zeit, in der Themen wie KI und Transhumanismus aktueller denn je sind. Eine Spurensuche im Cyberspace
Eine moderne Großstadt, aus der Vogelperspektive gefilmt. Zwei futuristische Motorräder rasen durch die Nacht, verfolgt von der Polizei. Alles ist im farbengesättigten Digital-Look gehalten, der schon seit einiger Zeit den Kino-Mainstream dominiert. Die ersten Aufnahmen aus dem Trailer zu »Tron: Ares« könnten aus jedem beliebigen Science-Fiction- oder Action-Blockbuster der letzten Jahre stammen. Doch dann aktivieren die Motorräder den ikonischen Laser-Schweif. Sofort ist klar: Wir befinden uns im »Tron«-Universum.
Dass Disney 15 Jahre nach »Tron: Legacy« erneut in das charakteristische Raster aus Neonfarben und Dunkelheit zurückkehrt, ist einerseits überraschend, andererseits nachvollziehbar. Überraschend, weil die beiden Vorgänger – »Tron« (1982) und »Legacy« (2010) – an den Kinokassen nur mittelmäßige Erfolge waren. Nachvollziehbar, weil beide Filme bis heute Kultstatus genießen und in Sachen Tricktechnik Maßstäbe setzten. Seinen Ursprung hat das Franchise in der Begeisterung von Regisseur Steven Lisberger für die frühen Videospiele der 1970er-Jahre. Als er Ende des Jahrzehnts dann zum ersten Mal ein digitales 3D-Modell sah, stand für ihn fest, dass dies seine Zukunft als Filmemacher sein würde. Es war sein »Zauberer von Oz«-Moment: eine Reise in eine Welt jenseits des Real Life.
Was für Dorothy in »Oz« der Wirbelsturm ist, ist für den sympathischen Entwickler und Videospiel-Profi Kevin Flynn (Jeff Bridges) eine Laserkanone. Mit ihrer Hilfe befördert ihn die KI MCP (Master Control Program) in die Sphäre des Digitalen, während er gerade versucht, sich bei seinem alten Arbeitgeber, der Computerfirma ENCOM, einzuhacken. Was Flynn nicht weiß: Sein ehemaliger Arbeitskollege Ed Dillinger, der durch den Diebstahl von Flynns Arbeit zum Chef von ENCOM aufstieg, hat schon lange die Kontrolle über das ehemalige Schachspiel-Programm verloren.
»Tron« gilt als der Film, der zum ersten Mal ausgiebig Computer Generated Imagery (CGI) nutzt. Er stellt dabei aber eher einen Brückenfilm zwischen analogem und digitalem Filmemachen dar, als dass er die digitale Revolution des Kinos eingeläutet hätte. Realfilm, klassische Animation und CGI gehen hier eine Verbindung ein. All diese Elemente zusammenzubringen, war ein äußerst herausfordernder Prozess. Schauspieler agierten in leeren, schwarzen Kulissen, die später durch Leuchtmuster und digitale Hintergründe ergänzt wurden. Rund 75.000 Einzelbilder wurden per Hand nachkoloriert. Die CGI-Sequenzen entstanden, indem Animatoren auf Millimeterpapier zeichneten und Koordinaten von Technikern manuell in Rechner eingegeben wurden. Erst die Projektion im Kino offenbarte das fertige Ergebnis.
Obwohl sich Technik und Magie eigentlich ausschließen, kumulieren sich die Effekte im fertigen Film zu einer Zauberwelt, die zum Staunen einlädt. Zusammen mit Flynn müssen wir uns erst einmal Logik und Regeln des Cyperspace erschließen. Denn wer hätte gedacht, dass man »Energie« dort mit einem Schluck Quellwasser »auftankt«? Die bunt strahlenden Schaltkreise wirken zugleich wie Runen einer archaischen Kultur und einem der Arcade-Games entsprungen, die damals noch State of the Art waren. Die frühzeitigen, klobigen CGI-Modelle und psychedelischen Computer-Effekte stellen für sich bereits ein einziges Faszinosum dar. »Tron« ist »Der Zauberer von Oz« im Neon-Gewand. Wissenschaft und Zauberei, analog und digital, Mythos und Moderne – die »Tron«-Welt lebt von solchen Gegensätzen und bringt sie gekonnt durcheinander. Dass die »Programme« im Film an »User« glauben, die wiederum auch nur Menschen sind, und dass MCP als übermächtiger Gott auftritt, öffnet zudem einen weiten Deutungsraum zwischen Technik-Religion und Humanismus. Von mangelnder Tiefe, die dem Film oft vorgeworfen wird, kann nicht die Rede sein.
Kommerziell blieb der erste »Tron« hinter den Erwartungen zurück. Doch sein Einfluss war enorm: Filmemacher und Filmemacherinnen wie James Cameron, die Wachowskis, John Lasseter oder Peter Jackson ließen sich von ihm beeinflussen. Ohne »Tron« hätte es »Toy Story« wohl nie gegeben. Viele Themen des Films – KI, Big Data, Transhumanismus – wirken heute aktueller denn je.
Knapp 30 Jahre später brachte Disney mit »Tron: Legacy« eine Fortsetzung ins Kino. Kevin Flynn (erneut Jeff Bridges) ist inzwischen zum Tech-Propheten geworden, der von einem digitalen Paradies träumt – bis er von seinem eigenen Ebenbild Clu in genau diesem gefangen genommen wird. Aus der Utopie wird Dystopie: Clu errichtet ein faschistisches System der Gleichschaltung, das in die reale Welt überzuschwappen droht. Flynn und sein Sohn Sam müssen lernen, Verantwortung zu übernehmen, und erkennen am Ende, dass Perfektion immer in Unterdrückung endet.
In den Jahren zwischen den beiden »Tron«-Filmen hatte sich in Sachen Tricktechnik und CGI einiges getan. James Cameron veröffentlichte mit »Abyss – Abgrund des Todes« und »Terminator 2 – Tag der Abrechnung« wenige Jahre nach »Tron« zwei Filme, die die CGI-Technik massiv voranbrachten. Steven Spielberg mischte für »Jurassic Park« CGI mit Animatronics, und mit »Final Fantasy: Die Mächte« in dir erschien 2001 der erste vollständige CGI-Film, dem es gelang, Menschen weitgehend realistisch darzustellen.
Dass »Tron: Legacy« visuell glamouröser ist als so mancher aktuelle Blockbuster, liegt daran, dass die Animatoren zwei Jahre Zeit hatten, um in der Post-Produktion an den CGI-Effekten zu werkeln. Wenn manche A-List-Filme heutzutage aussehen wie Sequenzen aus einem alten PlayStation-Spiel, so ist das weniger auf das mangelnde Talent der Animatoren zurückzuführen als auf die Zeit, die ihnen zur Verfügung steht – ein entscheidender Aspekt bei der Herstellung von CGI.
»Tron: Legacy« reiht sich also in eine lange Liste von Filmen ein – dazu gehören auch die »Herr der Ringe«-Trilogie, »Sin City«, »300« oder die Filme von Pixar, die CGI ganz selbstverständlich nutzten, um einzigartige Bilderwelten zu schaffen, und die Technik vorantrieben. Aber noch 15 Jahre nach seinem Erscheinen bietet der Film mit »The Grid« eine der faszinierendsten Filmwelten der jüngeren Filmgeschichte. Regisseur Joseph Kosinski, ursprünglich Architekt, verband hierfür digitale Effekte mit aufwendig gebauten Sets. »Ich wollte das Gefühl haben, wir hätten echte Kameras in die »Tron«-Welt gebracht«, so sein erklärtes Ziel, und tatsächlich: Glas, Stahl und Beton verschaffen der virtuellen Welt eine besondere stoffliche, taktile Qualität. Das Design des Films ist von einer eleganten Schlichtheit, die fasziniert, ohne überladen zu wirken – von der Disc-Kampfarena, auf deren glatter Oberfläche jeder Schritt von einem Quietschen begleitet wird, bis zu Flynns Refugium, das Kubricks »2001« zitiert. Und dann wäre da noch der kongeniale Soundtrack von Daft Punk. Die Musik des französischen Electro-Duos kombiniert auf für die Reihe typische Art und Weise gängige, analoge Film-Score-Streicher mit digitalem Elektro-Sound. Daft Punks für den Film geschriebener Song »Derezzed« ist mittlerweile fester Bestandteil ihres Hit-Sortiments, irgendwo zwischen »One More Time« und »Around The World«.
»Tron: Legacy« setzt folglich auch das dialektische Spiel des Originals fort: Das Formlose des Digitalen wird haptisch, die Zukunft trifft auf Reminiszenzen an die Vergangenheit (die Luftschlacht am Ende ist eine Hommage an Fliegerfilme in der Tradition des »Roten Barons«). Vor allem aber markiert der Film einen Bruch mit dem Technikoptimismus der 1980er. 2010 war klar geworden, dass Computertechnik weniger die Demokratie rettet als sie gefährdet – durch Fake News, Verschwörungstheorien und Überwachung. Auch Flynn lernt diese Lektion. Am Ende lässt er »The Grid« in einer gewaltigen Explosion verschwinden: ein umgekehrter Urknall, in dem Schöpfungsmythos und Astrophysik ineinandergreifen. Das Paradies liegt nicht im Digitalen, sondern in der unvollkommenen Realität.
Auch die »Tron«-Filme sind nicht perfekt. Aber sie markieren entscheidende Wendepunkte: Der erste Film machte digitale Bilder kinotauglich, der zweite zeigte uns, was technisch mittlerweile möglich war, um Fantasie- und Bilderwelten fernab der Realität zu schaffen, entdeckte dabei aber auch die Sinne wieder. Es sind diese dialektischen Pole, die die Welt der »Tron«-Filme noch immer so faszinierend machen: Mythos und Moderne, Magie und Wissenschaft, das Konkrete und das Virtuelle. Und zugleich reflektiert das Franchise die Gefahren grenzenloser Technikgläubigkeit. Zwischen Flop und Kultstatus, Vision und Warnung bleibt »Tron« ein Schlüsselmythos des digitalen Zeitalters.
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