Kritik zu 39,90

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Jan K ounen verfilmt Frédéric Beigbeders französischen Bestsellerroman über die Machenschaften der zynischen W erbebranche als visuellen O verkill mit einer altbackenen moralischen Botschaft

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Werber sind Zyniker und Kokain schnupfende Popstars. Sie vernaschen Topmodels und manipulieren unsere Konsumwünsche. Der jung-dynamische Octave Parango arbeitet als Texter für die angesagte Agentur Ross & Witchkraft. Im Rückblick sehen wir, wie er durch den legendären Werbespot für Applecomputer aus dem Jahr 1984, in dem der damalige Marktführer IBM als großer Bruder dargestellt wird, von den Möglichkeiten Werbung verführt wird. Inzwischen kennt er alle Tricks, wird von den Kollegen als Genie gefeiert und lebt als nervöser »Kreativer« auf der Überholspur.

Die überdrehte Welt der Werbung zeigt der Film uns als Mischung aus antiautoritärem Kindergarten, Manchester-Kapitalismus und Drogendelirium. Fiktive Spots für fiktive Produkte, Barcodes, Logos und Da Vincis Abendmahl fügen sich zu einer zitatreichen Bilderstürmerei. Assoziationen wie die zwischen einer Schneelawine und einer Line Kokain sind zwar nicht immer genial, überzeugen aber doch durch ihre verspielte, französische Eleganz.

Der Film basiert auf dem Insiderroman, den der Ex-Werber Frédéric Beigbeder auf Anregung seines Freundes Michel Houellebecq als Pamphlet auf die Branche verfasste. Der noch zu Vor-Eurozeiten erschienenen Bestseller »99 Francs« ist literarisch kein großer Wurf, gewährt aber interessante Blicke hinter die Kulissen. Entsprechend differenziert zeichnet der Film das Meeting zwischen der Agentur und einem Großkunden, für den Octave einen spektakulären Joghurt-Spot kreieren soll. Der Zyniker will sich dabei als Künstler verwirklichen, und zwar mit einem kryptischen Spot: Gut gelaunte Bikinimädchen joggen über einen Palmenstrand und diskutieren dabei chemische Formeln. Der Kunde ist darüber nicht amüsiert, er will einen konservativen Werbefilm. Zähneknirschend muss sich Octave diesem Banausen fügen. Doch unter seinen Augen dreht er unbemerkt einen Guerilla-Spot, der die Welt des schönen Scheins mit ekligen Bildern diffamiert.

Der Versuch, dem manipulativen Geschäft der Werbung den Spiegel vorzuhalten, gelingt aber nur manchmal: Etwa wenn Octave vergeblich versucht, aus einem Werbespot auszubrechen. Oder wenn er eine Ecstasy-Pille schluckt und seine blutige Amokfahrt als Comicstrip verfremdet wird. Insgesamt ist »39,90« ein visueller Overkill, dem wie einst Oliver Stones medienkritischem Film »Natural Born Killers« (1994) die Bodenhaftung fehlt. Regisseur Jan Kounen, der bereits mit seinem Castaneda-Western »Blueberry« mit ornamentaler Psychedelik nervte, will zeigen, dass es in der Werbung keine Menschen gibt, sondern nur Abziehbilder. Dafür hätte er ästhetisch andere Mittel aufbieten müssen als eben nur Abziehbilder. Die Leidensgeschichte Octaves, der von seiner schwangeren Freundin verlassen wird, wird fahrig dahinerzählt wie in einem überlangen Videoclip. Ohne greifbaren Charakter kann Hauptdarsteller Jean Dujardin kaum Akzente setzen. Wie die Werbung selbst besteht der Film fast nur aus Verpackung. Ein filmisches (Sonder-)Angebot, das wir ablehnen können.

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