Blockbuster – Big, Bigger... Bang

»Superman« (2025). © Warner Bros. Pictures

»Superman« (2025). © Warner Bros. Pictures

Hollywood plant den größten Kino-Sommer seit 2019 und setzt dabei auf Blockbuster: Sie bleiben das ­Rückgrat der US-Unterhaltungsindustrie. In einer Zeit alternder Superstars, endloser ­Fortsetzungen und einer amerikanischen Politik, die dem eigenen Wohlstand die Grundlagen entziehen will, stellt sich die Frage: Wie lange noch?

Seit nunmehr dreißig Jahren kämpft Tom Cruise als Geheimagent in Mission: Impossible gegen die Kräfte der Dunkelheit im globalen Machtgefüge. Cruise ist jetzt 62 und mit der Reihe recht gut gealtert. Weiterhin hängt er Szene für Szene an Flugzeugen und anderen Objekten, an denen Menschen normalerweise nicht hängen sollten, und am Ende stehen die Gegner und die Verräter auf der eigenen Seite als Verlierer da. »Mission: Impossible – The Final Reckoning« sollte die Reihe nun abschließen. Der Film kam in der dritten Maiwoche gleichzeitig in allen wichtigen Kinomärkten rund um den Globus heraus. Allein in den USA lief der Film auf 3857 Leinwänden. Auch in China war »M:I–8« am ersten Wochenende der erfolgreichste Film, und insgesamt spielte er in den ersten vier Tagen über 300 Millionen Dollar ein. Bei geschätzten 300 bis 400 Millionen Produktionskosten dürfte die Werbekampagne weitere 150 Millionen gekostet haben. 

»M:I–8« ist nach »Ein Minecraft Film« im April und »Thunderbolts*«, einem Marvel-Film von Anfang Mai, der dritte der großen Blockbuster-Filme, mit denen Hollywood in diesem Sommer zum Niveau der Kasseneinnahmen aus den Jahren vor der ­Pandemie zurückkehren will. Der Film und seine Vermarktung illustrieren in beispielhafter Weise die Strategie des wide release, des flächendeckenden Massenstarts, mit der Hollywood in den letzten fünfzig Jahren, seit dem Start von »Jaws« (Der weiße Hai) 1975, seine vorher schon dominante Position auf dem Weltmarkt zu einer konkurrenzlos beherrschenden ausgebaut hat. Zu den Zeiten des klassischen Hollywoodkinos und noch bis in die 1960er Jahre wurden die großen Filme zunächst mit wenigen Kopien in den großen Kinos der Innenstädte in den USA lanciert. Danach wanderten sie sukzessive in die kleineren Kinos weiter, wo sie für einen geringeren Eintrittspreis zu sehen waren. Es dauerte in der Regel zwei Jahre, bis alle Stufen der Vermarktungsleiter durchlaufen waren, und es waren in den USA nie mehr als 300 Kopien simultan im Einsatz. »Jaws« aber kam mit über 500 Kopien ins Kino, quer durch die USA am selben Tag und vorbereitet mit einer großen Fernsehwerbekampagne. In der klassischen Studioperiode gingen die Leute gewohnheitsmäßig zwei bis drei Mal pro Woche ins Kino. Heute ist das Unterhaltungsangebot viel größer und man muss den Kinostart zum Medienereignis machen, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen. Wurden in der klassischen Ära im Schnitt drei bis sieben Prozent des Produktionsbudgets für die Vermarktung eingesetzt, so sind es im Zeitalter des Blockbusters 50 Prozent und mehr. 

Neu an »Jaws« waren aber nicht nur das Vorgehen und der bislang völlig ungekannte finanzielle Aufwand der Marketingkampagne. Neu war auch das Startdatum. Es war der erste Studiofilm mit großem Budget, der mitten im Sommer lanciert wurde. Das Risiko lohnte sich; »Jaws« wurde der erste Film, der in den USA allein 100 Millionen einspielte und weltweit schließlich mit Wiederaufführungen und Fernsehauswertungen auf 477 Millionen kam, was inflationsbereinigt 50 Jahre später rund 2,8 Milliarden Dollar entspricht. Das wäre auch heute ein sehr großer Erfolg. Man geht seit den 1990ern davon aus, dass das Kino-Einspielergebnis noch 25 Prozent der gesamten Einnahmen ausmacht. 75 Prozent kommen aus Zweit- und Drittauswertungen im Fernsehen, über DVD und Streaming. Ein Film wie »M:I–8« nimmt im Kino, wenn er ein Hit ist, zwischen 500 und 700 Millionen ein und kommt über die Jahre auf einen Betrag, der nicht weit vom Einspielergebnis von »Jaws« entfernt ist. »Ein Minecraft Film« hat dieses Jahr im Kino nahezu eine Milliarde eingespielt und wird am Ende auch bei etwa drei Milliarden landen.

Die führende Weltmacht des Kinos ist Hollywood schon seit den 1920er Jahren. Nach dem Ersten Weltkrieg kam die amerikanische Filmindustrie erstmals in die Position, den Größenvorteil des amerikanischen Heimmarktes auszunutzen. In den 1920er Jahren lebten in den USA über 120 Millionen Menschen in einem kulturell und sprachlich homogenen Raum ohne innere Handelsschranken, immerhin doppelt so viele wie in Deutschland. Zugleich zerfiel der vor dem Ersten Weltkrieg noch homogene, von Handelsschranken freie europäische Markt in nationale Teilmärkte, in denen die Filmindus­trie zudem mit Belastungen wie Vergnügungssteuern zu kämpfen hatte, die zur Refinanzierung der Kriegsausgaben erhoben wurden. Hollywood hingegen hatte nach dem Ersten Weltkrieg zu Hause und in Übersee weitgehend freie Bahn. Paramount, das erste der großen Hollywoodstudios, wurde 1914 als erste nationale Verleihorganisation für Langspielfilme gegründet. Mit Kapital von der Wall Street und Kinoliegenschaften als Bankgarantie vermochten Paramount und die Studios, die sich in der Folge bildeten, Filme mit viel höheren Budgets zu produzieren als die Konkurrenz in Europa und zugleich die talentiertesten Künstlerinnen und Künstler aus Europa anzulocken. Doch erst mit dem Blockbuster nach dem Muster von »Jaws«, »Star Wars« oder »Indiana Jones« hatte Hollywood eine Strategie gefunden, mit der es keine Konkurrenz mehr aufnehmen konnte. Tatsächlich lässt sich sagen, dass der Blockbuster-Film seit einem halben Jahrhundert das Alleinstellungsmerkmal der Hollywoodstudios ist, und dass sich Hollywood definieren lässt als eine Industrie, deren sechs größte Firmen die einzigen auf der Welt sind, die solche Filme herstellen und vermarkten können – wobei die Vermarktungsstrategie mindestens so hoch zu gewichten ist wie die Filme selbst, ihre Storys, Stars und Spezialeffekte.

»M:I–8« ist aber nicht nur bedeutsam, weil der Film und seine Vermarktung in exemplarischer Weise vorführen, worin das Kerngeschäft von Hollywood besteht. Er veranschaulicht auch die kulturelle Relevanz dieses Filmtyps. Der Antagonist ist hier eine künstliche Intelligenz, die außer Kontrolle geraten ist, eine Gegenwelt aufbaut und sich unter diesem Schirm die nuklearen Arsenale der Welt unter den Nagel reißt. Antagonisten, die aktuelle Ängste und Probleme verkörpern, gehören zum Grundbestand des Blockbuster-Kinos. Die Größe der Bedrohung entspricht dabei in etwa dem Unterschied zwischen Realangst und neurotischer Angst bei Freud: Sie ist immer größer als in Wirklichkeit, aus Gründen der Dramaturgie, aber auch, um dem Publikum eine Welt vorstellbar zu machen, in der die reale Bedrohung so groß ist wie die neurotische Angst vor ihr. Darin liegt mitunter auch die zeitdiagnostische Kraft der großen Mainstreamfilme. Dass KI unser Leben verändert, erfahren wir schon jetzt, und dass es nicht unbedingt eine Veränderung zum Besseren sein wird, ist ebenfalls ersichtlich. So hat die Entwicklung der generativen KI den größten Diebstahl von geistigem Eigentum in der Geschichte zur Voraussetzung, und die verantwortlichen Unternehmen werden dafür in keiner Weise zur Rechenschaft gezogen.

In »M:I–8« wird Amerika zudem von einer schwarzen Präsidentin regiert, gespielt von Angela Bassett. Die Produktionsfrist von großen Hollywoodfilmen beträgt mindestens zwei Jahre von der Produktionsentscheidung bis zum Kinostart. Die Projektvorbereitung dauert oft viel länger. Als die Entscheidung fiel, in dem Film eine schwarze Frau ins Weiße Haus zu platzieren, war Kamala Harris noch Vizepräsidentin, aber nahe genug am Amt, um das Szenario plausibel erscheinen zu lassen. Hätte sie die Präsidentschaftswahl 2024 gewonnen, würde der Film in dieser Hinsicht die Realität beschreiben. So aber wird die Welt des Films zum Gegenentwurf zu der Welt, in der wir aktuell leben, in der ein verurteilter Betrüger und Vergewaltiger zum zweiten Mal zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde. So, wie sie Gefahren übersteigert darstellen, können Blockbuster-Filme Entwicklungen auch vorwegnehmen. Im Kata­strophenfilm »Deep Impact«, einem von zwei Blockbustern aus dem Jahr 1998, in denen ein Komet die Welt bedroht, spielt Morgan Freeman einen schwarzen Präsidenten, zehn Jahre vor dem Wahlsieg von Barack Obama. 

Dass prominente afroamerikanische Darsteller in Blockbuster-Filmen tragende Rollen erhalten, hat aber einen noch konkreteren Anlass. Afroamerikaner stellen rund zwölf Prozent der amerikanischen Bevölkerung, aber mehr als 20 Prozent des Kinopublikums. Das hat ökonomische Gründe. Eine Reihe von bis heute anhaltenden, verdeckten wirtschaftlichen Diskriminierungen  – höhere Versicherungsprämien für Autos, teurere Hypotheken beim Liegenschaftserwerb, Ausschluss vom Erwerb von Liegenschaften in bestimmten Stadtbezirken über die Verweigerung von Hypotheken (eine Praxis, die bekannt ist als red lining) – erschweren Afroamerikanern die Vermögensbildung und setzen ihre Kaufkraft herunter. Das Kino ist nach wie vor die kostengünstigste Unterhaltungsform. In einer Zeit, in der für eine Karte für ein Broadway-Musical wie »Hamilton« mehrere Hundert Dollar bezahlt werden, kostet eine Kinokarte im Schnitt immer noch nur 16 Dollar. Kaufkraftschwächere Gruppen werden eher ins Kino als ins Theater gehen. Das erklärt zum einen, weshalb das Kinopublikum zu drei Vierteln unter 30 Jahre alt ist, und es erklärt auch, weshalb Schwarze in den Kinosälen gemessen an ihrer demografischen Stärke übervertreten sind. Tragende Rollen für Schwarze sind auch eine Signatur des gesellschaftlichen Fortschritts, vor allem aber ein Zeichen dafür, dass Hollywood, stets aufs Geschäft fixiert, das treuste Publikum der Blockbuster-Filme kennt und mit positiven Rollenmodellen kultivieren will. Das erklärt auch die Rollen, die Schauspieler John Boyega und Samuel L. Jackson in der »Star Wars«-Reihe spielen.

»Mission: Impossible« ist auch in einem anderen Sinn bedeutsam. Die Reihe zeichnet sich dadurch aus, dass der Held sich regelmäßig von Frauen retten lässt. Das kann ein Zeichen persönlicher Vorlieben der Drehbuchautorinnen und der Drehbuchautoren sein oder des Stars. Es ist aber auch eine Reaktion darauf, dass sich das Blockbuster-Publikum zumal in den USA grundsätzlich verändert hat. Noch in den späten 1990er Jahren galt als ausgemacht, dass das Kinopublikum der unter Dreißigjährigen sich vor allem aus Paaren zusammensetzt, bei denen der männliche Part entscheidet, welche Filme geschaut werden. Einer der wichtigsten Umbrüche der Mainstreamkinokultur der letzten Jahrzehnte besteht darin, dass diese Regel nicht mehr gilt. Frauen fällen an der Kinokasse längst ihre eigenen Entscheidungen. Hollywood hat auf diese Entwicklung reagiert mit Filmen wie »Wonder Woman« und »Star Wars«-Folgen, in denen Prinzessin Leia laserschwertschwingende Nachfolgerinnen gefunden hat – eine Entwicklung, die für manche junge Männer so schwer zu akzeptieren ist, dass sie, um ihrem Ärger Luft zu machen, von »Star Wars« mit Videoschnittprogrammen Kürzestfassungen herstellten, aus denen alle Szenen mit Frauen herausgeschnitten waren. Der Blockbuster hat damit auch die RomCom, ein Genre, das in den 1990er Jahren blühte, verdrängt, weil es eine Rückzugszone fürs weibliche Publikum nicht mehr braucht. 

»M:I–8« steht schließlich für ein zentrales Element von Hollywoods Blockbuster-Strategie, die Fortsetzung oder das Franchising. Fortsetzungen großer Filme waren im klassischen Hollywood tabu. Jeder Film musste neu und einzigartig sein, größer und besser als alle zuvor. Es gab eine Praxis des verdeckten Remakes. Die Drehbücher erfolgreicher Filme wurden im Schnitt nach sieben Jahren neu betitelt, neu besetzt und damit scheinbar neu verfilmt. Bei großen Kinoerfolgen wurden die für den Erfolg vermeintlich verantwortlichen Einzelteile der Filme – die Besetzung, die Story – variiert. Mit der Blockbuster-Ära begann aber die Zeit der Fortsetzungen. Schon »The Godfather« von 1972 wurde flugs fortgesetzt, mit einem Sequel, das allgemein als noch besser gilt als das Original. Es etablierte sich die Regel, dass eine Reihe läuft, solange das Sequel zwei Drittel des Einspielergebnisses des Vorgängerfilms erreicht. Meist war nach zwei Fortsetzungen das Ende erreicht, und die Filme wurden auch immer schlechter. Selbst bei erfolgreichen Ausnahmen wie »Star Wars« und »Indiana Jones« war nach drei Filmen vorerst Schluss.

Die Lage änderte sich mit dem explosiven Wachstum des Heimvideomarktes in den 1980er und 1990er Jahren. Über die Auswertung von Erfolgsfilmen im Heimkino wuchsen neue Generationen von Fans heran. Mitunter erwiesen sich Filme, die im Kino gefloppt waren, im Heimvideomarkt als Hits. »Austin Powers« ist dafür ein Beispiel. Der Erfolg der Videofassung ermöglichte eine Fortsetzung im Kino, die um ein Vielfaches erfolgreicher war als der erste Film. Fortan plante Hollywood Fortsetzungen auf lange Sicht. Das Modell lieferten die Prequels zur »Star Wars«-Serie. Der Schlüssel lag darin, die Welt des Films als Universum aufzufassen, das sich in alle Richtungen – zeitlich, räumlich – ausdehnen ließ und mit immer neuen Figuren in immer neuen Geschichten bevölkert werden konnte. Diesem Prinzip folgt natürlich auch das Marvel-Universe. 

Das Franchising ist die bislang wirkungsvollste Lösung für ein grundlegendes Problem nicht nur der Hollywoodindustrie, sondern jeder Kulturindustrie. Der Ökonom Arthur de Vany hat für dieses Problem den schönen Begriff der »symmetrischen Ignoranz« geprägt; der Drehbuchautor William Goldman hat es in den 1980er Jahren noch prägnanter mit der Formel »In Hollywood, nobody knows anything« ausgedrückt. Filme sind, wie alle Kulturgüter, sogenannte Erfahrungsgüter. Die Qualität kennt man erst nach dem Konsum – wenn man schon dafür bezahlt hat. Bei Suchgütern, etwa einer Flasche Cola, ist das anders: Wo Coca-Cola draufsteht, ist Coca-Cola drin. Bei einem Film geht man das Risiko ein, dass einem nicht gefällt, wofür man gerade Geld ausgegeben hat. Zugleich wissen die Anbieter, die Studios, nie, ob es für ihre Filme wirklich ein Publikum gibt. Acht von zehn Filmen sind Flops, die restlichen zwei machen 80 Prozent der Einnahmen, und alle Gewinner sind überraschende Gewinner. Unter diesen Bedingungen muss man, um erfolgreich zu sein, möglichst alle Filme mit derselben Produktionsqualität ausstatten und sie dann gleichsam als Streusendung ins Kino bringen, in der Hoffnung, dass darunter die zwei Zehntel statistisch erwartbarer Hits sind. 

Dieses Problem hat Hollywood schon in seinen Anfängen dazu gebracht, nach Strategien zu suchen, die Risiken herabzusetzen. Stars und Genres dienen dazu, dem Publikum eine genauere Vorstellung davon zu geben, wofür es sein Geld ausgibt, und bieten den Produzenten die Möglichkeit, die Risiken zumindest kalkulierbar zu machen. Die Fortsetzungen, wie sie unter den Bedingungen eines voll entwickelten Heimvideomarktes möglich geworden sind, setzen die Risiken weiter herab. Das Publikum kennt sich aus im Universum und freut sich, mehr über seine Bewohner zu erfahren. Der Branchenbegriff dafür lautet pre-sold property – ein Stoff, der dem Publikum schon erfolgreich verkauft wurde, ein Stoff mit eingebauter Gefolgschaft. 

Im Franchising liegt aber auch ein Problem des aktuellen Hollywoodsystems. Von den Hits des Sommers 2025 war bislang nur einer eine wirklich neue Produktion: »Blood & Sinners« von Ryan Coogler, dem ersten etablierten afroamerikanischen Blockbuster-Regisseur, der unter anderem die »Black Panther«-Filme realisierte und der in diesem Film das Vampirgenre im Lichte der Historie der Rassendiskriminierung im amerikanischen Süden neu interpretiert. Bei einem Budget von 90 Millionen Dollar hat »Blood & Sinners« bislang 350 Millionen Dollar eingespielt; er war damit seit »Oppenheimer« der erfolgreichste Film, der keine Fortsetzung war oder wie »Barbie« auf einer pre-sold property basierte. Fortsetzungen variieren Bekanntes und suchen nach dem, was in der Sprache der Betriebswirtschaft optimal distinctiveness heißt, die optimale Unterschiedlichkeit zum Vorgänger- und Konkurrenzprodukt: Es kommt darauf an, neu und eigenständig zu sein, aber nicht zu sehr. Zugleich steht außer Frage, dass die Fixierung auf Fortsetzungen in alle Richtungen die Kreativität und die Kulturkompetenz jeder Kulturindustrie, die Produktion von Neuheit, einschränkt. 

Hinzu kommt das fortschreitende Alter der Stars. Bei allen Fortschritten der gerontologischen Forschung wird für Tom Cruise bald der Punkt erreicht sein, an dem er nicht mehr plausibel die körperlichen Leistungen erbringen kann, die für seine Actionrollen erforderlich sind. Zugleich hat Hollywood durch die Fixierung auf Franchises und Figurenuniversen es versäumt, eine neue Generation von Stars der Größenordnung von Cruise hervorzubringen. Nicht von ungefähr wird er in manchen Kritiken von »M:I–8« als der letzte der großen Stars beschrieben. Ein Schauspieler wie Chris Pratt trägt zwar die Fortsetzungen des »Jurassic«-Universums, aber ein Star von der Zugkraft von Tom Cruise, der seit Mitte der 1980er Jahre am Eröffnungswochenende immer den ersten Listenplatz errang, war er nie, und Rollen wie »Superman« – auch hier steht diesen Sommer eine neue Folge an – sind immer größer als die Darsteller, die sie ausfüllen. 

Noch beherrscht Hollywood also mit Blockbuster-Franchises den Weltmarkt, doch die Zeichen mehren sich, dass es mit der US-Dominanz zu Ende gehen könnte. Ein Alleinstellungsmerkmal der Hollywood-Blockbuster waren seit den 1990er Jahren und den »Jurassic Park«-Filmen die digitalen Spezialeffekte. Indien und Südkorea haben auf diesem Feld Hollywood mittlerweile eingeholt. Sie profitieren dabei von hervorragenden Bildungsinstitutionen im Bereich der Informationstechnologie und nutzen das Lohngefälle aus. Special-Effects-Blockbuster wie »Pathaan« mit Shah Rukh Khan (Indien, 2023) oder »Ashfall« (Südkorea, 2019) kosten einen Bruchteil eines Hollywood-Blockbusters, verdrängen auf ihrem Heimmarkt mühelos die amerikanische Konkurrenz und finden vor allem in Asien auch international ein großes Publikum. Zugleich ist der chinesische Kinomarkt mittlerweile der größte der Welt, und er wird zusehends von einheimischen Produktionen dominiert, wobei ein Film wie »Ne Zha 2« allein mit dem Ertrag aus dem Heimmarkt die internationalen Charts anführen kann, so dass der gemessene Anteil Hollywoods am Weltmarkt sukzessive zurückgeht. 

Das hat vor allem mit dem Gesamtwachstum des Marktes zu tun, wurde aber vom aktuellen amerikanischen Präsidenten als Zeichen des unmittelbar bevorstehenden Untergangs der amerikanischen Filmindustrie gelesen, die er daraufhin mit Importzöllen für internationale Produktionen belegen wollte. Vergessen hat Trump dabei, dass Hollywoodfilme seit den 1950er Jahren zu einem guten Teil im Ausland produziert werden, wo die Gehälter und die Infrastrukturkosten niedriger sind – in der Cinecittà in Rom, im Gasteig in München, in Potsdam, in den Barandov-Studios in Prag oder in Mexiko gleich jenseits der Grenze –, und dass sie damit als internationale Importe gelten würden. Tatsächlich ist die Filmindustrie der Pionier des Outsourcing, der Auslagerung der Produktion in Niedriglohnländer; die Automobilindustrie kam erst danach auf diesen Gedanken.

Die größte Bedrohung für das amerikanische Kino und das Blockbuster-Modell kommt aber aus dem Landesinneren: dem Silicon Valley und aus dem Weißen Haus. Wenn der Antagonist in »M:I–8« eine Künstliche Intelligenz ist, dann verweist das auch auf eine Konkurrenz zwischen den beiden Industrien. Das Geschäftsmodell der Filmindustrie besteht darin, geteilte Erfahrungen für einen Eintrittspreis an möglichst viele Menschen zu verkaufen. Das Geschäftsmodell des Fernsehens besteht darin, die Aufmerksamkeit des Publikums an Werbekunden zu verkaufen. Das Geschäftsmodell der Social-Media-Plattformen aus dem Silicon Valley besteht darin, die Aufmerksamkeit der »Nutzer« an Werbekunden zu verkaufen und sie zugleich die ganze Arbeit machen zu lassen. Wer soziale Medien nutzen will, muss seinen Content selbst mitbringen, am Eingang die Rechte daran abtreten und seine kompletten persönlichen Daten zur freien Weiterverwendung durch die Eigentümer der Plattform noch dazu. 

Ein politisches Interesse, das das Silicon Valley mit Hollywood teilt, ist das des ungehinderten weltweiten Marktzugangs. Hollywood gestaltet seit den 1920er Jahren die amerikanische Handelspolitik aktiv mit und saß in den 1990er Jahren bei allen Verhandlungen über die Freihandelsabkommen, die zur Einrichtung der World Trade Organization führten, mit am Tisch. Die amerikanischen Regierungen, egal welcher Couleur, unterstützten dieses Ansinnen, auch weil amerikanische Filme eine positive Wahrnehmung des Landes, seines Lebensstils und seiner Exportgüter schaffen. Das Silicon Valley befindet sich aktuell im Clinch mit Regulatoren rund um die Welt, und ein guter Teil der Anti-EU-Rhetorik der aktuellen Administration hat damit zu tun, dass die Techmilliardäre Trump unterstützen und sich durch die regulatorische Supermacht EU eingeschränkt fühlen. Die fehlende Regulierung der Online-Inhalte hat in den USA aber wesentlich zum Wahlsieg von Donald Trump beigetragen, und dieser wird nun für die Hollywoodindustrie auf lange Sicht zum Problem.

»13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi« (2016). © Paramount Pictures

Die Trump-Administration greift mit ihren Kürzungen von Forschungsbudgets und den Angriffen auf das Universitätssystem nicht nur die materiellen Grundlagen der amerikanischen Prosperität an. Die autoritäre Weltanschauung der neuen Regierung, die sich in einem Kult um den Präsidenten und der Unterdrückung abweichender Meinungen äußert, bedroht eine der wichtigsten Ressourcen der US-Filmindustrie: die Kultur des politischen und weltanschaulichen Pluralismus. Chinesische Filme sind in China erfolgreich, aber nicht draußen. Sie sind zu sehr mit Staatsideologie, aktuell dem »Xi-Jinping-Denken«, durchtränkt, um für ein nicht chinesisches Publikum goutierbar zu sein. Exportfähige Kultur gibt es nur in funktionierenden Demokratien. 

Hollywood insbesondere hat stets das kultiviert, was der Filmhistoriker Thomas Elsaesser einmal scharfsichtig »strukturierte Ambiguität« genannt hat. Selbst vermeintlich hoch ideologische Filme wie »13 Hours« vom Blockbuster-Regisseur Michael Bay, ein Film über die Botschaftsbesetzung von Benghazi in Libyen, sind so strukturiert, dass sie mehrere Lesarten zulassen. Ideologische Einförmigkeit schränkt die Reichweite und den globalen Appeal der Filme erheblich ein. Donald Trump, selbst ein Produkt des Reality-TV, des dritten großen amerikanischen Unterhaltungsexportgutes neben Blockbuster-Filmen und Social Media, ist eine Gefahr nicht nur für die internationale Ordnung, sondern auch für Hollywoods Geschäftsplan, diese Ordnung mit Unterhaltung zu versorgen. Es fragt sich also nicht, ob der Sommer 2025 die frühere Prosperität nach Hollywood zurückbringt, sondern ob Hollywood sich auf sein Geschäftsmodell weiter wird verlassen können.

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