Kritik zu Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels

© Universal Pictures

2008
Original-Titel: 
Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull
Filmstart in Deutschland: 
22.05.2008
L: 
122 Min
FSK: 
12

Das Marketinggeräusch um den vierten Teil der Serie war gedämpft. Haben Spielberg und Lucas etwa dem Appeal ihres Helden nicht getraut? Jetzt ist der erfolgreichste Abenteurer des Kinos wieder da

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Okay, er hat immer noch diesen eigenartigen, ausschwingenden Haken drauf, der einen Schurken aus seinen Knobelbechern haut. Und er kann seinem Gesicht diese Entschlossenheit geben, den unverwechselbaren Ausdruck, der mit äußerster Präzision sagt, wann Schluss ist mit lustig. Aber natürlich bedeutet ein Indy-Revival heute, 19 Jahre nach dem letzten Film der Serie, dass man einem Helden beim Altern zuschaut. Und es heißt: Dass man das Kino in seiner Entwicklung beobachten kann. Indiana Jones ist in Steven Spielbergs »Königreich des Kristallschädels« nicht mehr der, der er mal war. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn er sich auf irgendeine halbwegs glaubhafte Weise neu erfunden hätte. Doch Steven Spielberg und George Lucas sind auf die alte Magie aus – so unverfroren, dass es an Nötigung grenzt.

Das fängt gleich mit der ersten Einstellung an, in der sich als Reminiszenz an die Urszene, den Auftakt von »Jäger des verlorenen Schatzes«, das Signet des Studios Paramount in einen echten Berg verwandelt. Genauer: einen Sandhaufen, aus dem ein Murmeltier schaut. Andere typische Indy-Bilder flattern mal hierhin, mal dorthin, wie der verschwitzte alte Hut. Verstorbene Mitglieder der »Familie« werden als Foto oder Standbild ins Gedächtnis gerufen. Und wieder andere Einfälle lassen an die Kinderseite in der »Brigitte« denken: Wir haben in diesem Film die Bundeslade aus »Jäger des verlorenen Schatzes« versteckt – kannst Du sie finden?

Auf diese willkürlich in die Topographie der Spielorte Stanford, Nevada und Peru gerammten Grundbausteine hat das Team einen geradezu wahnhaften Plot getürmt. Dessen einziger Sinn ebenfalls darin zu bestehen scheint, dass etwas »vorkommt«. In diesem Fall aber genau andersrum: Es wird abgearbeitet, was bisher nicht oder nur knapp in den Indiana-Jones-Filmen aufgetaucht ist, nämlich der Regenwald, die Inkas, Killerameisen und Treibsand. Als Schurken figurieren, wir schreiben mittlerweile das Jahr 1957, die Russen unter Leitung einer bizarr gestylten Cate Blanchett; auf der Seite der Guten wurden aus dem ersten Teil die nette Karen Allen und aus dem Nichts der Newcomer Shia LaBeouf als Indys Sohn rekrutiert. Das Ziel der Handlung ist eine Parallelwelt, die seit »Unheimliche Begegnung der Dritten Art« so etwas wie die zweite Heimat von Steven Spielberg darstellt: das Universum der amerikanischen Alien-Folklore. An der Trivialmythologie des Films, die in langen Dialogpassagen »ausgearbeitet« wird, hat Harrison Ford schwerer zu tragen als an seinen Jahren. Der Zuschauer traut dem sehnigen Sixtysomething die Action nach wie vor zu, aber ständig gilt es, fremdsprachliche Texte zu entschlüsseln und Bilderrätsel zu lösen – der Mann kommt einfach zu nichts.

Technisch gesehen ist »Königreich des Kristallschädels« ein Hybridprodukt. Die ersten beiden Filme der Serie hatten in den Achtzigern den Produktionsapparat an eine Grenze geführt, hatten alles gemacht, was im Realfilm, mit Schauspielern, Sets und Modellen möglich schien. Das war so auf der Höhe der Zeit, dass es noch heute ganz gut funktioniert: Die alten »Indys« wirken immer noch schnell und meist in ihrer Materialität überzeugend – als ob man selbst dabei wäre, inmitten wimmelnder Tausendfüßler, an einer glitschigen Klippe überm Abgrund. Ausgerechnet diese Qualität aber haben Spielberg und Lucas verschenkt. Immer wieder mal bläst sich das »Königreich« mit digitalen Effekten auf, die so bräsig sind, dass sie die Illusion zerstören. Ein Werk der Liebe ist das nicht.

Bleibt zu hoffen, dass schlechte Sequels nicht haften bleiben, dass ihr Eindruck nicht den des Originals ruiniert wie es einem mit van Gogh gehen kann, wenn man ihn zu oft im Sparkassenkalender gesehen hat. Und es bleibt die Frage, wie einer Abschied nehmen soll, der einmal ein Millionenpublikum ergriffen hat. Fussballstars können auf Trainer umschulen oder eine Trinkhalle aufmachen. Aber das kommt für einen Abenteurer natürlich nicht infrage.

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