Film des Monats September: »Die Möllner Briefe«

© Real Fiction Filmverleih

2025
Original-Titel: 
Die Möllner Briefe
Filmstart in Deutschland: 
25.09.2025
L: 
96 Min
FSK: 
Ohne Angabe
Die Jury der Evangelischen Filmarbeit empfiehlt

November 1992. Im schleswig-holsteinischen Mölln setzen junge Neonazis zwei von türkischstämmigen Familien bewohnte Häuser in Brand. In einer Serie rassistischer Anschläge, die Deutschland nach der Wiedervereinigung erschütterten – Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Solingen –, ist es der erste, bei dem es Todesopfer gibt. İbrahim Arslan, damals sieben, hat den Brand überlebt, weil seine Großmutter ihn in ein nasses Handtuch hüllte und unter dem Küchentisch versteckte. Die Großmutter selbst, eine Schwester und eine Cousine starben. Noch heute leiden İbrahim und sein Bruder Namık unter dem Trauma. Während Namık psychologische Hilfe suchte, hat İbrahim sein Leben der Aufarbeitung gewidmet, organisiert Gedenkveranstaltungen, spricht an Schulen als Zeitzeuge. Ein Wendepunkt war für ihn die Entdeckung Hunderter Solidaritätsschreiben, die dreißig Jahre lang im Archiv der Stadt lagerten –und die den Opfern, an die sie gerichtet waren und denen sie hätten Trost spenden können, nie ausgehändigt wurden.

Der mehrfach preisgekrönte Dokumentarfilm von Martina Priessner kreist um ein historisches Ereignis – könnte aber nicht aktueller sein. Inzwischen sitzt eine Partei im Bundestag, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft ist; die Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten ist zuletzt, ausgehend von einem kontinuierlich hohen Niveau, wieder gestiegen. Vielleicht auch, weil deutsche Behörden kein Sensorium für diese fatale Entwicklung in unserer Gesellschaft haben, weil vertuscht, vergessen, weggeschaut wird. Der Film arbeitet gegen den alltäglichen Rassismus, indem er seine ganze Aufmerksamkeit den Betroffenen schenkt. Die Kamera von Ayşe Alacakaptan und Julia Geiß begleitet mitfühlend İbrahim bei seinen Versuchen, das Behördenversagen zu ergründen, zu Gesprächen mit den Briefschreibern von damals und anderen Opferfamilien. Inmitten der Trauer lassen die »Möllner Briefe« Hoffnung aufscheinen: Die zutiefst anrührenden Auszüge aus den Schreiben, Kinderzeichnungen und Postkarten belegen – »wir sind nicht alle so«.

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