Interview mit Ridley Scott über »Der Marsianer«

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»Der Marsianer«

Frank Arnold im Gespräch mit Ridley Scott

Mr. Scott, verglichen mit »Alien«, »Blade Runner« und »Prometheus« ist »Der Marsianer« eher Science Fact als Fiction. Macht das das Geschichtenerzählen anders?

Absolut. Fiktion ist Theater, wo alles möglich ist. Man kann seiner Phantasie freien Lauf lassen, muss aber alles so anordnen, dass es plausibel wirkt, man folgt ähnlichen Regeln wie bei einem Dreiakter für die Bühne. Wenn man diese Regeln missachtet, missrät der Film. Der Roman »Der Marsianer« von Andy Weir ist ein Liebesbrief an die Wissenschaft, hat der Drehbuchautor Drew Goddard gesagt. Alles darin ist wirklich möglich, das hat auch die Nasa bestätigt. Deren Mitarbeiter lieben das Buch, besonders den Humor und den Einfallsreichtum des Astronauten.

Ihr zweiter Spielfilm war »Alien«. Danach sind Sie wiederholt auf das Genre des Science Fiction Films zurückgekommen…

Ich habe keinen Plan, ich nehme, was kommt. Bis auf Western und Musical habe ich alle Genres bedient. Ich suche einfach nach interessanten Geschichten. Aber eigentlich suche ich die Stoffe nicht, sie finden mich. Denn ich habe kaum Zeit zu lesen, weil ich so viel arbeite. Leider. Und vor allem war ich nie ein großer Leser von Science-Fiction-Literatur, ich könnte ihnen keinen Autorennamen nennen. Erst durch Kubricks »2001 – Odyssey im Weltraum« wurde ich von dem Genre infiziert, auch wenn Hollywood schon vorher einige großartige Science-Fiction-Filme gemacht hatte, ich denke da an »Der Tag, an dem die Erde stillstand« mit Michael Rennie, das war einer der besten. Und der allerbeste war »Das letzte Ufer« mit Gregory Peck und Ava Gardner. Ich komme nicht auf den Namen des Autors – ah, Nevil Shute – , der diese phantastische Vorlage für einen postapokalyptischen Nachkriegsfilm geschrieben hat. Ich muss also auf Romane aufmerksam gemacht werden von Leuten, die für Bücher schwärmen; gerade habe ich die Rechte an zwei Büchern gekauft. Kennen Sie die Flashman-Reihe von George McDonald Fraser? Daraus will ich eine Serie machen.

Sie haben überwiegend groß budgetierte Filme gemacht. Inwieweit reicht der Name Ridley Scott aus, um ein Filmprojekt auf die Beine zu stellen?

Ein bisschen hilft er schon – er macht es einfacher, aber das ist beileibe kein Automatismus. Man benötigt eine große Aufmerksamkeit für jedes Detail, damit ein Film so wird, wie ihn das Publikum sehen will. Denn wenn man eine Geschichte aufgreift, muss man sie perfekt entwickeln. Sonst kann ich sie auch nicht verkaufen. Es ist ja nicht automatisch so, dass das, was mich interessiert, auch andere begeistert. Ich muss anderen erklären, warum es funktionieren wird. Das ist nie einfach. Deshalb steckt meine Zeit vor allem in der Entwicklung meiner eigenen Projekte. In meiner Firma Scott Free widmen sich viele kluge Köpfe der Entwicklung und Ausführung unserer anderen Produktionen. Wir produzieren gerade drei Serien, »A Good Wife« läuft bereits seit sieben Jahren, jetzt kommt »The Man in the High Castle« nach dem Roman von Philip K. Dick. Ich halte ständig Ausschau nach Regisseuren, deren Filme ich produzieren kann. Und dann kümmere ich mich um meinen nächsten eigenen Film, die Fortsetzung von »Prometheus«, der Dreh beginnt im Februar. Ich muss jetzt entscheiden, ob ich nach Australien oder Toronto gehe. Kanada hat Steuervorteile, die finanziell attraktiv sind. Weil ich ein Geschäftsmann bin, hasse ich die Vorstellung, das Budget um Millionen zu überziehen. Wenn man weiß, was man tut, bleibt man im Budget. »Der Marsianer« war in 70 Tagen abgedreht. Normalerweise hätten die Studios 110 bis 120 Tage angesetzt. Wenn ich so was zuließe, wäre ich ein schrecklicher Produzent.

Sie haben also eine große Verantwortung…

Es ist wie das Schwimmen mit Haien. Wenn man mittendrin ist, nimmt man die Gefahr nicht mehr wahr. Das habe ich gut gelernt. Ich hatte das Glück, in ihrer besten Zeit bei der TV-Werbung zu lernen, das war damals eine Atmosphäre und eine Euphorie, die mit dem Internet heute vergleichbar ist. Die Werbeindustrie hat sich selbst und eine neue Filmsprache erfunden, ich habe bei 150 Spots im Jahr Regie geführt, das war die beste Filmschule, die man wohl haben kann. Andererseits  gab es den Druck der Agenturen, mit dem Budget auszukommen. Ich habe auch damals schon mit meiner eigenen Firma produziert und hätte Geld verloren, wenn ich überzogen hätte. Diese Lektionen hatte ich intus als ich im gestandenen Alter von über 40 meinen ersten Spielfilm drehte.

... unsere Kritik zu »Der Marsianer«

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