Kritik zu Wilma will mehr

© Neue Visionen Filmverleih

Maren-Kea Freese hat eine Culture-Clash-Komödie gedreht über eine sehr patente Lausitzerin (Fritzi Haberlandt), die Ende der 1990er Jahre zur Abwechslung einmal nicht in der alten BRD, sondern in Wien ihre ganz persönliche Freiheit findet

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Ost-West-Culture-Clash-Komödien gibt es reichlich: »Sonnenallee«, »Good bye, Lenin!« und zuletzt »Zwei zu eins« sind nur einige Beispiele. Meist schwelgen sie in Nostalgie und kosten genüsslich Klischees aus. Oft klingt auch Überheblichkeit und Verbitterung mit. Die westdeutsche Filmemacherin Maren-Kea Freese wählt für ihre Sozialkomödie einen anderen Gegenspieler zu den Ostdeutschen: Sie lässt die zupackende Bodenständigkeit einer Lausitzerin auf die schnöselige Nonchalance der Wiener Boheme treffen. Das geht nicht komplett ohne Stereotype und doch mit sehr viel mehr nüchterner Klarheit und meist unvoreingenommener Neugier.

Wilma (Fritzi Haberlandt) ist wohl das, was man eine patente Frau nennt. Die Mittvierzigerin arbeitet überqualifiziert in einem Elektrohandel, züchtet Alpakas, schmeißt den Haushalt, macht ehrenamtlich Führungen durch das stillgelegte Braunkohlegebiet und übt mit ihren Freundinnen auch mal ein Tänzchen für den Ehemaligentreff der Völkerbrigade ein. Dann wird ihr mit warmen Worten gekündigt, und weil sie daraufhin früher nach Hause fährt, erwischt sie ihren Mann Alex (Thomas Gerber) und ihre Freundin Doris (Xenia Snagowski) nackt beim Nudelkochen. Wilma reißt aus – nach Wien, zu ihrem Jugendfreund Martin (herrlich schmierig-larmoyant: Stephan Grossmann). Der macht zwar auf dicke Hose, ist im fernen Österreich aber doch ein kleines Licht.

Also muss sich Wilma selbst durchschlagen. Sie ist sich nicht zu schade, in einer Monteurunterkunft zu schlafen, sich am »Arbeiterstrich« aufzureihen und schließlich als »Mädchen für alles« bei einer wohlhabenden Familie am Stadtrand zu arbeiten. Sie ist schließlich »Maschinist, Elektriker und Schlosser mit Führungsqualitäten aus Brigadezeiten«, wie sie nicht ohne Stolz sagt. Bei der Arbeit lernt sie den Anstreicher und Freizeitpoeten Max (Simon Steinhorst) kennen. Bei ihm und dessen Freundin Matilde (Meret Engelhardt), einer links-feministischen Literaturprofessorin, findet sie ein Zimmer. Matilde begegnet Wilma zunächst mit einer gewissen Arroganz: »Hätten Sie sich nicht etwas Einfacheres aussuchen können so als Frau?«, fragt sie Wilma beim ersten Treffen und offenbart damit das Selbstverständnis manch intellektueller Frau im Westen. Es ist eines dieser Gespräche, die Frauen, die in der einstigen DDR aufgewachsen sind, beschreiben – wie nebenbei und ganz ohne Wertung. 

Doch Wilma kann sich wehren. Später, da sind Matilde, Max und der dazugekommene und schnell zu Wilmas Liebhaber gewordene Anatol (Valentin Postlmayr) längst eine eingeschworene Freundesgruppe, sagt Wilma ohne Vorwurf, dafür mit einem gesunden Selbstbewusstsein: »Ick hab in zwei politischen Systemen gelebt, hab nen Sohn großgezogen und war immer werktätig.« Im Gegenzug bekommt Wilma zu hören, dass die Ostdeutschen »spießig, neidisch und naiv« seien.

Gleichzeitig stellt auch Wilma fest: Mit der Gleichberechtigung war es auch in der DDR nicht weit her. Am Ende war die Vereinbarkeit von Beruf und Familie doch nur »eine Doppelschicht für uns Frauen«. Ganz zu schweigen von der Ernüchterung, dass ihr das Eintreten für Gleichheit und Kameradschaft am Ende nicht viel gebracht hat. 

Fritzi Haberlandt, selbst in der DDR aufgewachsen, trägt diese Figur – vielleicht sogar den ganzen Film – mit der ihr eigenen spröden Bestimmtheit. Episodenhaft reiht Regisseurin Freese ihre Erlebnisse aneinander. Das ist immer dann besonders eindrücklich und unterhaltsam, wenn Wilma auf die österreichische Schnöseligkeit trifft. Und natürlich kommt auch »Wilma will mehr« nicht ohne ein paar Klischees aus. Wilma liebt ihre Spreegurken und muss ihrer Boheme-WG erst mal erklären, dass Leinöl nicht wie ­Olivenöl über das Essen gekippt wird.

Die Traumsequenzen, in denen Wilma vor allem ihren Mann und ihre Freundin Doris in surrealen Situationen sieht, wären verzichtbar gewesen. Doch als kleine Ode an die Selbstbestimmtheit der (DDR-)Frauen ist »Wilma will mehr« eine unterhaltsame und wohltuende Ergänzung im Kanon der Ost-West-Culture-Clash-Komödien.
 

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