Kritik zu So sind wir, so ist das Leben

französisch © Studiocanal

2023
Original-Titel: 
Toni, en famille
Filmstart in Deutschland: 
28.12.2023
L: 
95 Min
FSK: 
6

Camille Cottin als Star eines Dramas über eine alleinerziehende Mutter, die zwischen vergangenem Ruhm, Mutteralltag und beruflicher Neuorientierung die Balance zu wahren versucht

Bewertung: 3
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Toni ist alleinerziehende Mutter von fünf Kindern. Als sei das noch nicht außergewöhnlich genug, hat sie zudem eine glamouröse Vergangenheit. Die Hintergrundgeschichte dieser attraktiven, zurückhaltenden Frau wird erst allmählich in knappen Dialogen enthüllt. Viele Fragen, etwa zum Schicksal des Vaters der Kinder, werden nur andeutungsweise beantwortet. Stattdessen zeichnet der 24-jährige Regisseur Nathan Ambrosioni mit großer Einfühlung das Porträt dieser Frau vor allem in der Interaktion mit ihren Kindern, deren Alter von zehn Jahren bis kurz vorm Abi reicht. Motor der Handlung ist die Entscheidungsfindung der beiden Ältesten darüber, was sie in Zukunft  machen wollen. In dieser Umbruchsdynamik beginnt auch bei Antonia, genannt Toni, ein Selbstfindungsprozess. Während »die Großen«, eine Prüfung nach der nächsten, langsam flügge werden, bewegt sich auch die hingebungsvolle Mutter allmählich aus dem Kokon heraus, den sie um sich und ihren Nachwuchs gesponnen hat.

Mit lebensnahen Details schildert der Film die letzten Monate des Zusammenlebens dieser eng miteinander verbundenen Familie. Die fünf Kinder, mal arme Hascherl, mal egoistische Blagen, sind altersgemäß oft pampig, statt ihrer Mutter ihre Probleme zu beichten. Und Toni steckt tapfer ein, wenn die Kinder motzen, gelegentlich tobt sie aber auch herum. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt, Luxus kann sich die Familie nicht leisten. Normale Härte eigentlich – doch die Überforderung einer an allen Fronten allein kämpfenden Mutter ist in dieser Beiläufigkeit nicht oft im Kino zu sehen.

Abends geht Toni mit spürbarem Unbehagen ihrem Nebenerwerb als Sängerin in Bars und bei Junggesellinnenabschieden nach. Denn zu Beginn der 2000er Jahre war die nun 42-Jährige als Schlagersängerin ein One-Hit-Wonder, bevor sie ihre Zufallskarriere sausen ließ, um Kinder zu bekommen. Als Zuschauer erfährt man davon erst in ihren Gesprächen mit wenig motivierten Berufsberaterinnen. Denn Toni will ein Lehramtsstudium beginnen und sucht nach finanzieller Unterstützung.

Die Zickigkeit der Kinder mag ein wenig überzogen und das gleichzeitige Coming-out des Sohnes wie der Tochter eine etwas übertriebene Verbeugung vor dem Zeitgeist sein, der Film überzeugt allein durch Hauptdarstellerin Camille Cottin. Bekannt wurde sie als Agenturchefin in der Serie »Call My Agent!«, hier verleiht sie der Rolle einer Familienchefin eine mädchenhafte, traumwandlerische Anmutung. Oft wirkt sie eher wie die ältere Schwester denn wie eine respektgebietende Erzieherin. Trotz des aufkommenden Minderwertigkeitsgefühls einer »Nur-Hausfrau« und der Zweifel, die ihr angesichts ihres neuen beruflichen Anlaufs von Behörden, Kindern und der eigenen Mutter entgegenschlagen, verkörpert sie eine Frau, die einfach weitergeht und keine Lust zu jammern hat. Oder sollte sie doch als Sängerin ein Comeback versuchen? Tonis fiktiver Erfolgs-Chanson »Pas qu'un peu« hat in Frankreich bereits eine echte Fangemeinde gefunden.

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