Kritik zu Im Schatten des Orangenbaums

© X-Verleih

Cherien Dabis, Schauspielerin und Regisseurin (»Amreeka«), erzählt in ihrem dritten Spielfilm die epische Geschichte einer palästinensischen Mehrgenerationenfamilie

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Die in den USA geborene, palästinensischstämmige Regisseurin Cherien Dabis filtert in ihrem auf dem Sundance Filmfestival gefeierten Drama rund 60 Jahre palästinensischer Geschichte, von der »Nakba« bis in die nahe Gegenwart, durch die Perspektive einer Familie. Ein ambitioniertes Projekt, dessen Dreharbeiten in Israel vom Pogrom der Hamas überrascht wurden und in benachbarte Staaten verlegt werden mussten.

Es beginnt 1988, mit einem Jugendlichen, Noor, der sich in einen Aufruhr mischt und von israelischen Soldaten lebensgefährlich verletzt wird. Was Noor auf die Straße getrieben hat, erzählt seine Mutter (Dabis selbst) in einer großen Rückblende. Die Familie ihres Schwiegervaters führte in Jaffa ein gutbürgerliches Leben als Besitzerin einer Orangenplantage. Im Zuge des israelischen Unabhängigkeitskriegs bombardieren zionistische Truppen die Stadt, viele flüchten. Der junge Vater Sharif, der zurückgeblieben ist, um das Anwesen zu verteidigen, wird in ein Lager verschleppt. Nach seiner Freilassung siedelt sich die Familie im Westjordanland an. Den Schlüssel zum alten Haus hat der Großvater aufbewahrt – das Trauma der Vertreibung wirkt über Generationen fort.

Der Film ist gut gespielt, auf konventionelle Art wirkungsvoll inszeniert, in vielen intimen Alltagsszenen durchaus glaubwürdig und bewegend. Weniger überzeugend ist die epische Dimension. Der Versuch, die Erzählung über mehr als ein halbes Jahrhundert schrecklicher Kämpfe hinweg zu spannen, ohne die Opferperspektive aufzugeben, ist erkauft mit einem toten Winkel im Sichtfeld. Sonnendurchglühte Aufnahmen des Orangenhains, der Strände, der Altstadt Jaffas suggerieren eine natürliche Beziehung zwischen den Palästinensern und dem Land. Politische Begriffe wie »Intifada« werden dagegen vermieden, und die historischen Konflikte erscheinen verunklärt; nichts konterkariert die gelegentlich eingeblendeten arabischen Nachrichten. »Wir haben keine Armee«, heißt es einmal, als die Familienmitglieder sich angstvoll im Haus in Jaffa zusammenkauern – als wäre nicht der Teilungsvorschlag der UN von den palästinensischen Arabern, namentlich dem arabischen Hochkomitee, umgehend gewaltsam bekämpft worden, als hätten nicht fünf arabische Staaten Israel am Tag nach seiner Gründung angegriffen.

Die erste von kaum einer Handvoll Szenen, in der jüdische Israelis im Film ein »Gesicht« bekommen, ist die einer grauenvollen Demütigung durch das Besatzungsregime der Westbank – der Auslöser für Noors »Radikalisierung«. Und am Ende geht ein Versöhnungsversuch, den Noors Eltern unternehmen, ins Leere: Der Israeli, der durch eine Organspende ihres Sohnes gerettet wird, reagiert – man könnte da an den motivisch ähnlichen Dokumentarfilm »Das Herz von Jenin« denken – mit Kälte.

So entsteht ein geschlossenes, widerspruchsfreies Geschichtsbild, in dem Israel als »›allmächtige‹ zionistische Entität« figuriert, wie es kürzlich auf einem in der »taz« zitierten Transparent einer propalästinensischen Gruppe hieß. Heute ist Israel so isoliert wie nie in seiner Geschichte, das palästinensische Vertreibungsnarrativ hat sich auf breiter Ebene durchgesetzt. Der Film tritt offene Türen ein.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt