DVD-Tipp: »Zuckerbrot und Peitsche« (1968)
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»Zuckerbrot und Peitsche« wird ein vergessener Filmemacher aus dem Umkreis der Neuen Münchner Gruppe wiederentdeckt: der bulgarisch-deutsche Regisseur Marran Gosov
Roger Fritz als eleganter Gangster, so kennt man ihn aus Rudolf Thomes Film »Fremde Stadt« (1972), der durch seine Leichtigkeit, vor allem durch das überraschend spielerische Ende gefiel. Da ist die Rolle vier Jahre zuvor in »Zuckerbrot und Peitsche« ungleich düsterer angelegt. Bei seinen Überfällen auf Banken und Juweliergeschäfte wird Roger begleitet von einer Maschinenpistole – die er auch benutzt: zurück bleiben jedes Mal Tote. Das weiß auch Helga, die junge Ehefrau eines Galeristen. Gleichwohl ist sie fasziniert von diesem Mann, obwohl sie seine Annäherungsversuche zurückweist, auch noch als sie schon seine Komplizin geworden ist.
Man darf dabei durchaus an Joseph H. Lewis' Noir-Klassiker »Gefährliche Leidenschaft« (Gun Crazy) denken mit seiner Verknüpfung von Gewalt und sexueller Lust. Doch Rogers Coolness erweist sich als Pose, er verliert seine Aura, als er ihr später erzählt, dass er einst Verkäufer war und bei einem Fotoshooting einsprang, als das Model nicht auftauchte. Seine Existenz könnte die Zigarettenwerbung (mit dem Slogan »Französisch lieben, englisch rauchen«) sichern, aber die Welt des schönen Scheins, in der er sich da bewegt und die er mit erschafft, ist trügerisch – um den Sportwagen, vor dem er posiert, besitzen zu können, muss er zum Verbrecher werden. Aus Spiel wird Ernst, das unterscheidet diesen Film von vielen anderen der Neuen Münchner Gruppe, zu der man den Regisseur Marran Gosov rechnen kann.
Dessen Leben und Werk zeichnet Christoph Daxtra im 24-seitigen Booklet nach, das leider das einzige Bonusmaterial bleibt. Nach einem frühen Roman in Bulgarien kam Gosov 1960 nach Deutschland, hatte Erfolge als Hörspielautor und drehte ab 1965 Kurzfilme. Sein Langfilmdebüt war 1968 »Engelchen oder Die Jungfrau von Bamberg«. Diesen Kassenerfolg konnte Gosovs übernächster Film »Bengelchen liebt kreuz und quer« einigermaßen wiederholen. Dazwischen entstand »Zuckerbrot und Peitsche«, alle drei für den umtriebig-erfolgreichen Jungproduzenten Rob Houwer.
Gosov drehte neben den Spielfilmen weiterhin Kurzfilme, 1970 gleich sechs. Später machte er Installationen, produzierte zwei Langspielplatten im Eigenverlag, Filmmusikkompositionen für andere, war Regisseur einzelner Folgen von Fernseh- und Kinderserien. 1991 kehrte er nach Bulgarien zurück, wo er erneut Literarisches veröffentlichte. Dass Gosovs Kurzfilme in den vergangenen Jahren bekannter wurden, ist dem im Juni verstorbenen Bernhard Marsch zu verdanken, einem Filmenthusiasten und Sammler aus Köln, der diese nicht nur in dem von ihm initiierten »Filmclub 813« zeigte, sondern mit ihnen auch durch deutsche Programmkinos tourte, zuletzt im Rahmen der Buchpräsentation von Marco Abels »Mit Nonchalance am Abgrund: Das Kino der Neuen Münchner Gruppe (1964–1972)«.
In diesem Kontext stehen auch vier Beiträge in der gerade erschienenen Ausgabe 88/89 der Zeitschrift »Filmblatt« zur Gosov-Marsch-Connection. Das und diese erneut verdienstvolle Veröffentlichung der »Edition Deutsche Vita« wecken das Interesse an einer umfassenden Gosov-Retrospektive.
Zuckerbrot und Peitsche D 1968. R: Marran Gosov. Da: Helga Anders, Roger Fritz, Harald Leipnitz. Anbieter: Subkultur Entertainment.
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