Kritik zu Gigli - Liebe mit Risiko

Trailer englisch © Sony Pictures

Martin Brests Film ist wesentlich besser als sein Ruf und cleverer als vieles, was einem dieses Jahr als "Entertainment" angedreht wurde

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Es ist jedes Jahr das gleiche Spiel: Nach Wochen voller Hollywoodmüll sind gegen Ende des Sommers die Frustrationen bei Kritik und Publikum so aufgestaut, dass irgendein Film als Prügelknabe herhalten muss, an dem alle ihre Wut abreagieren können. Ironischerweise trifft es meist Filme, die wenigstens versucht haben, sich innerhalb der Mainstream-Grenzen vom Einheitsbrei des so genannten "Unterhaltungskinos" zu unterscheiden. 2000 traf es De Palmas Mission to Mars, 2001 Peter Chelsoms Town and Country, 2002 McTiernans Rollerball.

Gigli ist der neueste Fall - ein Film, vor dem erst sämtliche Online-Foren und dann das Gros der US-Filmkritiker warnten: Geldverschwendung! Sicher, Gigli ist wahrlich kein perfekter Film, auch kein "großartiger". Aber er ist wesentlich besser als sein Ruf und cleverer als vieles, was einem dieses Jahr als "Entertainment" angedreht wurde. Es geht um den Mafia-Schläger Gigli (Ben Affleck), der den autistischen Bruder eines Staatsanwalts kidnappen soll, damit dieser die Ermittlungen gegen einen New Yorker Mafioso einstellt. Zur Unterstützung wird Gigli die Killerin Ricki (Jennifer Lopez) an die Seite gestellt. Dem Einzelgänger passt das überhaupt nicht in den Kram, aber es ist natürlich nur eine Frage der Zeit, bis er sich in seine Kollegin verliebt. So weit, so banal. Aber Gigli ist ein Kammerspiel, und allein das spricht bereits für den Wagemut von Regisseur Martin Brest. Gut 100 Minuten lässt er zwei Topstars in einem Zwei-Zimmer-Apartment aufeinander los und betreibt ein lustvolles Spiel mit Rollen- und Geschlechterklischees - keine Action, keine Explosionen, dafür viele Dialoge, die nicht immer gut sind, aber stets ziemlich schräg.

Brests dramaturgischer Kniff besteht darin, aus Lopez' tougher Gangsterbraut eine Lesbe zu machen, die das Weltbild ihres Macho-Partners nachhaltig ins Wanken bringt. Brest hat zwar keine gender study inszeniert, aber ein paar gewitzte Seitenhiebe auf heterosexuelles männliches Selbstverständnis sind ihm durchaus gelungen. Er karikiert filmisch geprägte Vorstellungen von Männlichkeit und Gangstertum, was darin gipfelt, dass Ben Afflecks Gigli auf sehr subtile Weise ziemlich schwul wirkt - was ihn nur sympathischer macht. Akzentuiert wird Giglis "education sentimentale" durch kurze Auftritte zweier Darsteller, die für Kino-Machismo par excellence stehen: Christopher Walken bekommt fünf surreal anmutende Minuten als leicht verwirrter Cop, und kurz vor Schluss taucht plötzlich Al Pacino auf - vom Scheitel bis zur Sohle in silbergrau, gibt er als Mafiaboss eine grandiose, selbstparodistische Solonummer. Nach diesen pointierten Auftritten wird klar, wessen Attitüden Typen wie Gigli vergeblich imitieren.

Ben Affleck, der als dümmlicher Macho ausnahmsweise mal nicht fehlbesetzt ist, gibt seine beste Darstellung, seit er sich in Kevin Smiths wunderbarem Chasing Amy ebenfalls in eine Lesbe verliebte. Auch Jennifer Lopez war seit Out of Sight nicht mehr so gut wie hier, und Brest lässt sie unerhört sexy aussehen, ohne dass es so ausgestellt wirkte wie in ihren letzten Filmen. Nicht zuletzt: zwischen den beiden "funkt" es tatsächlich, wenngleich das Ende nach faulem Mainstream-Kompromiss riecht.

Brests größter "Fehler" liegt vermutlich darin, dass sein Film nicht eindeutig klassifizierbar ist: Gigli oszilliert beständig zwischen Satire, Romanze, Komödie und Drama. Das erfordert vom Zuschauer natürlich ein ständiges Justieren seiner Film-Rezeptoren. Brests Mixtur mag nicht immer funktionieren, aber allein den Versuch sollte man als Bereicherung begreifen.

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