Kritik zu Die Möllner Briefe

© Real Fiction Filmverleih

2025
Original-Titel: 
Die Möllner Briefe
Filmstart in Deutschland: 
25.09.2025
L: 
96 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Als 1992 in Mölln ein rassistischer Brandanschlag drei Menschen das Leben kostete, gab es Bekenntnisse der Solidarität, die die Hinterbliebenen der Opfer nie erreichten. Der Dokumentarfilm beleuchtet diese Umstände und gibt Raum für schmerzhafte Erinnerungen 

Bewertung: 3
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Ibrahim Arslan wurde als Siebenjähriger Opfer des rassistischen Brandanschlags im schleswig-holsteinischen Mölln am 23. November 1992. Seine zehnjährige Schwester Yeliz Arslan, seine 14-jährige Cousine Ayşe Yılmaz und seine Großmutter Bahide Arslan kamen dabei ums Leben. İbrahim überlebte, weil seine Großmutter ihn in nasse Handtücher wickelte und in der Küche in Sicherheit brachte, bevor sie auf der Treppe von einem herabstürzenden Balken erschlagen wurde. Wie Hoyerswerda, Solingen, die Tatorte des NSU, München, Halle und Hanau ist Mölln ein Synonym für rassistisch oder antisemitisch motivierte Gewalttaten und Morde in Deutschland. Sie sind keine Einzelfälle, sondern als Teil des strukturellen und institutionellen Rassismus zu verstehen, zu dem auch das Versagen der Behörden im Vorfeld sowie die Kriminalisierung der Angehörigen gehören. Zuletzt wurde das dokumentarisch in der »Einzeltäter«-Trilogie von Julian Vogel aufbereitet.

Was in Martina Priessners in enger Zusammenarbeit mit der Familie Arslan und weiteren Betroffenen entstandenen Dokumentarfilm neu ist, sind die titelgebenden Briefe. Menschen aus ganz Deutschland schickten 1992 Beileidsbekundungen an die Stadt Mölln mit der Bitte um Weitergabe an die Familien der Opfer. Doch dazu kam es nie. Erst 2019 entdeckte eine Studentin die Briefe im Archiv und nahm Kontakt zu İbrahim Arslan auf. Seit Jahren erzählt er seine Geschichte in Schulen, leitet Workshops und organisiert Gedenkveranstaltungen in Mölln, bei denen anders als bei offiziellen Gedenken die Betroffenen das Wort haben. Im Film ringen die Betroffenen häufig um Fassung – nicht wegen des Traumas selbst, sondern wegen der Versäumnisse der Behörden vor 30 Jahren.

Im Mittelpunkt stehen die Beteiligten selbst: Neben İbrahim sind das seine Geschwister, seine Mutter und weitere Betroffene. Was der Anschlag mit ihnen gemacht hat und wie unterschiedlich sie mit seinen Spätfolgen umgehen, zeigt »Die Möllner Briefe« eindrücklich. Die zurückgenommene Bildgestaltung setzt bewusst filmischen Raum für die Gedanken, Erfahrungen und Forderungen der Betroffenen frei.

Die Briefe, mittlerweile an DOMiD – das Dokumentationszentrum und Museum über Migration in Deutschland – übergeben, bilden die zweite narrative Säule des Films. Die Kamera verweilt auf den individuellen Zeugnissen von Solidarität, die als tröstende Worte verfasst wurden: »Ihr seid nicht allein« – Worte, die die Betroffenen damals gebraucht hätten.

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