Kritik zu Das Glück an meiner Seite

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Krankheit als Chance, um Lebensweisheiten zu bebildern: Hilary Swank als von ALS gezeichnete Expianistin und Emmy Rossum als ihre ungeschliffene junge ­Pflegerin versuchen, »Ziemlich beste Freunde« nachzuspielen

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»Du bist perfekt«, raunt Evan (Josh Duhamel) beim morgendlichen Liebesspiel in der dampfverhangenen Designerdusche seiner Frau ins Ohr. Aber mit der ehelichen Perfektion geht es in Das Glück an meiner Seite schon nach wenigen Filmminuten zu Ende. Bei der Feier zu ihrem 35. Geburtstag merkt die versierte Pianistin Kate (Hilary Swank), dass ihre Finger über den Klaviertasten zittern. Schon spult der Film eineinhalb Jahre vor: Kate ist an der Nervenkrankheit ALS erkrankt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Evan kümmert sich rührend um seine Frau, soweit es sein beruflicher Alltag zulässt. Und dann steht Bec (Emmy Rossum) vor der Tür: Zerzaust von einer durchsoffenen Nacht und einem namenlosen One-Night-Stand versucht sie gerade ungelenk, die Kippe im Blumentopf auszudrücken. Die junge Studentin hat in ihrem Leben noch nicht viel auf die Reihe bekommen und verfügt über keinerlei pflegerische Erfahrung. Aber Kate stellt sie gegen die Proteste ihres Mannes als Pflegehilfe ein, vielleicht weil sie in ihr das wilde Leben sieht, dass sie nie hatte und nie haben wird. So ist der Weg frei für einen Frauenfreundschaftsfilm, der hinsichtlich seiner Grundkonstellation auch »Ziemlich beste Freundinnen« heißen könnte. Allerdings fühlt sich Das Glück an meiner Seite im Hinblick auf die mortal verlaufende degenerative Krankheit eher der Tragödie verpflichtet. »Disease sells« so könnte man zynisch das Verkaufsmotto einer ganzen Reihe von Hollywoodfilmen formulieren, in denen eine unheilbare Krankheit zur dramatischen Kraft wird.

Gerade erst haben Julianne Moore als Alzheimer-Patientin in Still Alice und Eddie Redmayne in der Rolle des an ALS erkrankten Stephen Hawking in Die Entdeckung der Unendlichkeit gezeigt, dass solche Filme auch beträchtliches Oscarpotenzial besitzen. Sicherlich macht auch Hilary Swank ihre Sache gut und verkörpert überzeugend die verschiedenen Leidensstadien dieser verheerenden Krankheit. Das Pro­blem von Das Glück an meiner Seite sind nicht die beiden Hauptdarstellerinnen, es ist das Drehbuch von Shana Feste und Jordan Roberts, die hier den Roman von Michelle Wildgen adaptiert haben.

Anders als in Still Alice lässt sich die Geschichte auch nicht von der Dynamik der Krankheit leiten, sondern benutzt diese nur als Vehikel, um allerhand Weisheiten über das Leben, die Liebe und die Freundschaft unterzuheben. Allzu plakativ sind die beiden ach so differenten Frauencharaktere geraten: die eine voller Leben und ohne Plan, die andere mit einem klaren Daseinskonzept, aber nur wenig Restlebenszeit. Da bleibt viel Raum für einen vorhersehbaren Befruchtungsprozess, der hier nach allen Regeln der Sentimentalität durchbuchstabiert wird. Man sieht die vielen guten Absichten und ist verstimmt. Denn die Figuren – und das gilt besonders für die Erkrankte – werden zunehmend zu Erfüllungsgehilfinnen einer profanen Lebensratgeberdramaturgie, die angesichts des herannahenden Todes emotionale Tiefe vortäuscht, wo doch nur rührselige Plattitüden verbraten werden.

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