Kritik zu Still Alice – Mein Leben ohne Ges­tern

© Polyband

2014
Original-Titel: 
Still Alice
Filmstart in Deutschland: 
05.03.2015
L: 
99 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Julianne Moore spielt eine Frau in ihren 50ern, die an Alzheimer erkrankt

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.666665
3.7 (Stimmen: 3)

Wenn Dustin Hoffman in »Rainman« einen Autisten spielt, Daniel Day Lewis in »Mein linker Fuß« einen an zerebraler Kinderlähmung Leidenden oder Javier Bardem in »Das Meer in mir« einen Querschnittsgelähmten, dann gab es für diese Anstrengungen zumindest Nominierungen und meistens auch Oscars. Weshalb den Schauspielern leicht ein wenig Berechnung unterstellt wird. Auch in diesem Jahr sind unter den Nominierungen für den besten Hauptdarsteller und die beste Hauptdarstellerin zwei Rollen, die in diese Kategorie fallen, Eddie Redmayne als Stephen Hawking in »Die Entdeckung der Unendlichkeit« und Julianne Moore in »Still Alice«, und man kann wohl jetzt schon sagen, dass die Chancen für die beiden ganz gut stehen. Und das liegt vor allem daran, dass beide Darsteller sich so demütig in die besondere Erfahrungswelt ihrer Figuren hineinversetzen, dass sie die Anstrengung, die sie das kostet, völlig vergessen lassen. Näher ist man der Erfahrung dieser Krankheitsbilder als Gesunder noch nie zuvor gekommen, als es diese beiden Schauspieler ermöglichen. Wie gut, dass sie als Mann und Frau nicht in Konkurrenz um den Preis stehen.

Während Eddie Redmayne von Hawkings kristallklarem Geist in einem zunehmend versagenden Körper erzählt, geht es für Julianne Moores Alice um die Zersetzung des Geistes in einem voll funktionierenden Körper. Es sind kleine Anzeichen, hier ein Wort, um das sie im Vortrag ringt, dort ein Termin, den sie vergisst oder eine Formulierung, die ihr entfallen ist. Als sie ihrem Mann (Alec Baldwin) nach mehreren Besuchen beim Neurologen eröffnet, dass sie unter einer früh einsetzenden Form von Alzheimer leidet, will er es zunächst gar nicht glauben. Eine Frau, die mit gerade mal 50 mitten im Leben steht, auf der Höhe ihrer Fähigkeiten als Professorin, ausgerechnet für Linguistik, für das Erlernen der Sprache, soll so früh schon abbauen?

Lisa Genova, die Autorin der Romanvorlage, ist Neurowissenschaftlerin und hat die fiktive Geschichte aus ihrem Fachwissen destilliert. Den beiden Regisseure Wash Westmoreland und Richard Glatzer geht es in ihrer Verfilmung des Bestsellers vor allem um die Wahrhaftigkeit der Krankheitserfahrung, sowohl für die Betroffene wie für ihre Angehörigen, die mit ansehen müssen, wie Alice langsam verschwindet. Die beiden sind in besonderer Weise für die Tragödie des vorzeitigen Verlusts von Lebensenergien sensibilisiert, weil Glatzer an ALS erkrankt ist und bei Drehbeginn schon massiv eingeschränkt war. Auf dezente Weise vermitteln sie den zunehmenden Kontrollverlust und die schubweise hereinbrechende Orientierungslosigkeit durch Unschärfen und eine zu den Rändern ausfransende Wahrnehmung. Vor allem aber ist es das berührende, subtile Spiel von Julianne Moore, das diesen Film zum Ereignis macht. Man ist so nah dran, dass es wohl keinen Zuschauer geben wird, den nicht früher oder später die Panik befällt beim Gedanken daran, wie es wäre, wenn es einen selbst oder seine Liebsten träfe.

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