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© Alamode Film

2024
Original-Titel: 
Drømmer
Filmstart in Deutschland: 
08.05.2025
L: 
110 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Für den dritten Teil seiner Trilogie bekam Dag Johan Haugerud auf der Berlinale im Februar den Goldenen Bären verliehen. Es geht um eine Teenagerin, das Erleben der ersten Liebe und darum, wie das Schreiben darüber wiederum das Erleben verändert

Bewertung: 4
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Der norwegische Regisseur Dag Johan Haugerud erzählt in seiner Trilogie keine durchgehende Geschichte, sondern nähert sich auf je verschiedene Weise den menschlichen Konstanten von Begehren, Zusammenleben und Sich-selbst-nicht-Verstehen an. »Träume« handelt von der 16-jährigen Schülerin Johanne (Ella Øverbye), deren als Voiceover vorgetragene Aufschriebe uns durch den Film leiten. 

In Johanne regen sich Gefühle, die sie erst spät als ihr erstes Verliebtsein benennen kann. Das Objekt ihrer Zuneigung ist ihre Sprachenlehrerin Johanna (Selome Emnetu), die uns in warmen,  weichgezeichneten Bildern als das wärmste Wesen der Welt gezeigt wird. Viele kleine Wendungen vollzieht Johannes Liebe; sie eignet sich den Strick-Look ihrer Lehrerin an und vergeht vor Eifersucht, wenn ihre Klassenkameradinnen irgendeine Art der Nähe zu ihr erleben dürfen.

Irgendwann bringt das Mädchen den Mut auf, seine Lehrerin zu Hause zu besuchen. Die manchmal ins Verträumte spielende Lichtpoesie des Films weicht dann einer schwarzen Leinwand, und plötzlich ist ein Jahr vergangen. Was ist geschehen? Johanne hat es in innigen Worten aufgeschrieben, aber so einfach ist es dann doch nicht.

Die »Oslo Stories« sind in ihrer Unaufgeregtheit bisweilen an Yasujiro Ozu gemahnende, jedoch von Innerlichkeit und Selbst­offenbarung geprägte Handreichungen für eine empathische Gesellschaft. Disharmonien zwischen Menschen sind hier keine fatalen Katastrophen, sondern werden durch Verständnis und Kommunikation bewältigt. Auch die freieste, verständigste Liebe ist nicht frei von Kränkung, verraten diese Filme – aber damit umzugehen, ist möglich.

Wo in »Sehnsucht« und »Liebe« die Gefühle im Darüber-Reden manchmal trivialisiert werden, um ihnen zur Alltagsfähigkeit zu verhelfen, lässt Johannes Jugend das in Träume nicht zu. Anders gesagt handelt der Film zum großen Teil davon, wie sie sich dagegen sträubt. 

Johannes Großmutter (Anne Marit Jacobsen), die Lyrikerin ist, und ihre Mutter (Ane Dahl Torp) bekommen den Aufschrieb zu lesen, in dem sie ihre Liebe zu Lehrerin Johanna in Worte fasst. Die empathische Sorge um das Mädchen wird bald zur Begeisterung über Johannes Talent zum Schreiben. Man könne das Manuskript doch einem Verlag geben und zu einem Erfolgsroman machen! Dass so nüchtern-praktisch über ihr Innerstes gesprochen wird, muss Johanne kränken, zielt es doch an ihrer Liebe vorbei.

Die Unverliebten sprechen aus dem Zustand des Verarbeitet-Habens, der Distanz, der Vernunft. Und wie sollten sie nicht Neid verspüren auf die gesteigerte Empfindsamkeit, die das Vorrecht aller Jungen und Verliebten ist? 

Dieses sich selbst nicht verstehende Unbehagen der Älteren an etwas, das sie nicht anders als gut finden können, arbeiten die Schauspielerinnen mit Haugeruds Dialogen wunderbar heraus. Auch wenn die ­»Oslo Stories« von glückender Kommunikation handeln, sind die Menschen, die sprechen, keine aalglatten Sauberleute. Großmutter Karin neidet ihrer Enkelin das große Gefühlswerk, das sie selbst nie vollbracht hat, und die Mutter weiß manchmal nicht, wie sie die Tochter zwischen Missbrauchsopfer und feministischer Ikone verorten soll. 

Das, was Johanne geschehen war, verwandelt sich, sobald sie sich so heilsam ihrer Familie mitteilt. Ihr Ureigenstes wird in Information, Prosa, Diskurs, Symbol zersplittert. Ein Hilferuf, eine Story über queeres Erwachen, ein literarischer Geniestreich, all das soll es plötzlich sein. Eine gefeierte Autorin werden, schön und gut, aber verloren gehen würde für Johanne dennoch etwas. 

Den ganzen Film hindurch klingt deshalb auch der filigran-schöne Doppelsinn des Für-sich-Behaltens an. Was du nicht teilst, ist allein dir eigen.

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