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Sonja Heiss hat Joachim Meyerhoffs autobiografischen Bestseller über ein Coming-of-Age in Psychiatrie-Nähe verfilmt
In einer Klapse aufzuwachsen wäre wohl für jeden eine Herausforderung. Erst recht, wenn man nicht eben zu den hellsten Leuchten im Lampenladen gehört und zudem noch mit zwei älteren Brüdern geschlagen ist, die keine Gelegenheit auslassen, sich darüber lustig zu machen. Wenn der Spott und der Druck zu groß werden, beginnt Joachim wie am Spieß zu schreien und um sich zu schlagen. Dann setzen ihn die Eltern auf die Waschmaschine im Schleudergang, bis er sich wieder zurechtgerüttelt hat. Alles wird gut.
Na ja, eigentlich eher nicht; das zumindest legt der Titel von Sonja Heiss' Adaption des 2013 erschienenen Bestsellers von Joachim Meyerhoff nahe: »Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war« artikuliert zwar den Wunsch nach einem offenbar als ersehnenswert imaginierten Vergangenen, ist zugleich aber so ehrlich zuzugeben, dass es eben das in der Form nie gegeben hat. Die sprichwörtliche gute alte Zeit war bei genauem Hinsehen halt auch bloß eine normalbittere Wirklichkeit. Und in der unterscheidet sich Joachim von den Insass:innen der Anstalt, der sein Vater vorsteht, mitunter lediglich dadurch, dass er auf der anderen Seite des Zauns lebt – denn natürlich steht die Direktorenvilla räumlich getrennt vom Krankenhaus im weitläufigen Park. Diese Grenze ist durchlässig dergestalt, dass auch mal eine ambulante Patientin der Klinik zum Hausgast bei Direktors werden kann – und daraus dann Joachims erste Liebe keimt.
»Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war« ist Bestandteil des autobiografischen Erzähl-Projektes, das der Schauspieler, Schriftsteller und Regisseur Meyerhoff unter dem Titel »Alle Toten fliegen hoch« von 2007 bis 2009 zunächst am Wiener Burgtheater realisierte, bevor er es in einen Roman-Zyklus transformierte. Meyerhoff reflektiert darin sein eigenes Aufwachsen auf dem Gelände der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Schleswig-Hesterberg, die sein Vater als ärztlicher Direktor leitete. Untreue und Unglück, Trennungen und Abschiede sowie der ganz alltägliche Wahnsinn, den die Wohnsituation mit sich bringt, sind die Themen; verhandelt werden sie in drei Großkapiteln, die Kindheit, Teenager-Zeit und Erwachsenenalter überschrieben und in den 70er, 80er respektive 90er Jahren angesiedelt sind. Jede Menge Drama, könnte man meinen, da obendrein noch der Tod vorbeischaut. Stattdessen aber blickt man auf die Ereignisse wie durch dickes, dämpfendes Glas in ein Aquarium, darin aufgebaut eine Versuchsanordnung für ein Experiment, dessen Sinn sich nicht erschließt. Zumal die Figuren agieren, als hätten sie zu viel vom klinik-eigenen Beruhigungsmittel erwischt.
Es ist möglich, das als Folge einer Entfremdung zu interpretieren, der mit einer reflektierten Rückschau auf die eigene Vergangenheit einhergehen kann. Möglich auch, dass der unbeteiligte Verhaltensgestus, der das Personal ergriffen hat, Ausdruck eines gutbürgerlichen Bemühens ist, unter allen Umständen nach Außen hin den Schein zu wahren. Weder die eine noch die andere Erklärung ändert allerdings etwas daran, dass dieser Film arg langweilig geraten ist.