Film des Monats März: »The Zone of Interest«

englisch © A24

Empfohlen von der Jury der Evangelischen Filmarbeit

Nur eine Mauer trennt das Wohnhaus der Familie Höß vom Konzentrationslager Auschwitz. Die Rosen stehen in voller Blüte, der Garten ist der ganze Stolz von Hedwig (Sandra Hüller), der Ehefrau des Lagerkommandanten (Christian Friedel). Mit seinen fünf Kindern ist das Paar nach Auschwitz gekommen. Hier haben sich die beiden eine angenehme Existenz aufgebaut. Weil Hedwig das Leben in Auschwitz gefällt, will sie nicht weg, als Rudolf nach Oranienburg versetzt wird. Zumal sie vom Konzentrationslager profitiert. Einmal betrachtet Hedwig sich im Spiegel, in einen Pelzmantel gehüllt, den sie aus Lagerbeständen bekommen hat und in dessen Tasche sie einen roten Lippenstift findet – die letzte Hinterlassenschaft eines ausgelöschten Menschenlebens. Bloß die Schornsteine der Krematorien, die man von der Sonnenterrasse des Wohnhauses sehen kann, weisen auf das Menschheitsverbrechen hin, das Ehemann Rudolf in Auschwitz organisiert. Dennoch ist das menschenverachtende Grauen jenseits der Mauer im Film beklemmend allgegenwärtig.

Dem Regisseur Jonathan Glazer ist mit »The Zone of Interest« etwas Außergewöhnliches gelungen. Er zeigt uns die Täter in ihrer familiären Alltäglichkeit. Um die Figuren zu entwickeln, hat er sich an den Zeugenaussagen von Überlebenden orientiert, die im Hause des Lagerkommandanten zwangsweise beschäftigt waren. Kontrapunktisch zu den historisch genau gezeichneten Figuren setzt er ungewöhnliche Stilmittel ein, wie etwa mit Thermofotografie aufgenommene nächtliche Szenen, ebenso die eindringliche atonale Musik von Mica Levi. Die Täter werden im Film nicht als Monstren gezeichnet, sondern als Menschen, in denen wir uns selbst auf unheimliche Weise wiedererkennen. An ihnen erfassen wir, welche Gewalt Menschen einander antun können. »The Zone of Interest« ist ein Film über das Wegsehen und darin höchst aktuell. Er zeigt uns die Leichtigkeit, mit der die Protagonisten die Verbrechen, die sich in ihrer unmittelbaren Nähe abspielen – mehr als 1,1 Millionen Menschen, darunter etwa eine Million Juden, wurden in Auschwitz ermordet –, um der eigenen Behaglichkeit willen aus ihrem Bewusstsein ausblenden.

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