DVD-Tipp: »Die Affaire Dreyfus« (1968)

»Die Affaire Dreyfus« (1968). © Pidax Film- & Hörspielverlag

»Die Affaire Dreyfus« (1968). © Pidax Film- & Hörspielverlag

Erstaunlich aktuell

Eine strukturelle Eigenart des 1963 gestarteten ZDF lag in der redaktionellen Trennung von Fernseh- und Dokumentarspiel. Bei Letzterem sollte, so die Programmleitung, »die Authentizität den Vorrang« haben. Im angelsächsischen Raum sprach man von der »Semi-Documentary«, später vom »Docu-Drama«. Das Spektrum reichte von historischen Ereignissen bis zu zeitgenössischen Verbrechen – im heutigen Sprachgebrauch »True Crime«.

An eine sehr anspruchsvolle Materie wagte sich das Autorenpaar Maria Matray und Answald Krüger 1968 für das ZDF mit einem Dreiteiler über die französische Dreyfus-Affäre. Ein in höchste politische Kreise reichender Skandal der 1890er-Jahre, ein komplexer Stoff: Intrigen, politische und juristische Winkelzüge, Fälschungen, Finten und, nicht nur darin erstaunlich aktuell, Radikalisierung als Folge bewusster Desinformation der Öffentlichkeit. Roman Polanski hat sich vor kurzem des Falls in »J'accuse« noch einmal angenommen.

Die Remigrantin Matray und ihr Koautor Krüger beginnen die Erzählung dramaturgisch geschickt in den Sitzungs- und Hinterzimmern und verdichten sie nach und nach zum Fortsetzungs-Courtroom-Drama, dem Gerichtsverfahren gegen den Schriftsteller Émile Zola, der den entgegen der Beweislage als Verräter verurteilten jüdischen Offizier Dreyfus in einem zornigen Zeitungsbeitrag verteidigt hatte, und dem nachfolgenden Revisionsprozess, der Dreyfus endgültig entlasten sollte.

Regisseur Franz Josef Wild drehte vorwiegend im Studio, nach Art des Film noir in Schwarz-Weiß, in schwachem, hartem Licht, das Ohnmacht und Verzweiflung der Dreyfus-Vertrauten verbildlicht. Die namhaften Schauspieler wurden so geführt, dass die sehr konzentrierte Inszenierung nicht zum bebilderten Hörspiel verkommt. Ein Offsprecher, eingefrorene Einstellungen und die Einblendung zeitgenössischer Illustrationen verweisen auf den dokumentarischen Charakter der Spielhandlung. Interessant noch die damalige Rangordnung: Die Autoren werden im Vorspann gleich nach dem Titel genannt, der Regisseur erst als Letzter im (auf DVD 2 leider verzerrten) Abspann.

 

VÖ: 13. August 2021

Die Affaire Dreyfus BRD 1968. R: Franz Josef Wild. Anbieter: Pidax.

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