Kritik zu Was uns verbindet
Bezauberndes Drama über Verlust und Trauer, Hoffnung und Freiheit mit einer großartigen Valeria Bruni Tedeschia
Carine Tardieu ist eine Meisterin, wenn es darum geht, von den Tragödien der menschlichen Existenz zu erzählen, von komplizierten Beziehungsgeflechten wie in »Eine bretonische Liebe« (2017) mit Cécile de France und von scheinbar undenkbaren Konstellationen wie in »Im Herzen jung« (2022) mit Fanny Ardant. Mit charmanter Leichtigkeit und stiller Melancholie erzählt sie davon und stellt jeweils starke, unerschrockene Frauen in den Mittelpunkt. In ihrem aktuellen Drama »Was uns verbindet« fächert sie erneut ein verworrenes Beziehungsgeflecht auf.
Im Zentrum stehen die Mittfünfzigerin Sandra (Valeria Bruni Tedeschi) und der sechsjährige Elliott (César Botti). Sandra ist eine unabhängige Frau, die sich bewusst für ein Leben ohne Kinder und wohl auch ohne festen Partner entschieden hat und stattdessen einen feministischen Buchladen führt, ununterbrochen raucht, nicht kocht und sich, wenn sie überfordert ist, an ihrer Brille festhält. Elliott lebt mit seinen Eltern nebenan. Eines Tages steht die kleine Familie vor Sandras Tür. Die Fruchtblase der Mutter ist geplatzt und nun bittet das Paar ausgerechnet Sandra, für ein paar Stunden auf Elliott aufzupassen. Die ist nicht nur überfordert, sondern auch genervt von Elliotts vielen, sehr direkten Fragen – zunächst. Denn schnell entwickelt sich ein anregendes Gespräch zwischen dem ungleichen Paar, auch weil Sandra den Jungen ernst nimmt.
Was so erwartbar erscheint, inszeniert Tardieu mit charmanter Ernsthaftigkeit. Natürlich freunden sich Sandra und Elliott an, sie wird zur wichtigen Bezugsperson für die ganze Familie. Denn Elliotts Mutter Cécile stirbt bei der Geburt ihres Babys und Alex (Pio Marmaï) steht nun allein mit dem Säugling und Elliott da, der zudem nicht sein leiblicher Sohn ist. Plötzlich meldet der leibliche Vater (Raphaël Quenard) Ansprüche an, Alex macht Sandra Avancen, Sandras Mutter, die ihre Töchter allein aufgezogen hat, hält flammende Reden, Céciles Mutter trauert leise und beweist unglaubliche Größe, und dann kommen sich auch noch die junge Kinderärztin Emilia (Vimala Pons) und Alex näher. Es ist eine völlig verworrene Patchworkgemeinschaft.
Jede ihrer Figuren zeichnet Tardieu mit Offenheit. So wie sich auch die Figuren selbst mit Wohlwollen begegnen. Das klingt nach Gesellschaftskitsch, doch Tardieu gelingt es, die gefühlige Schwere der verschiedenen Geschichten mit zurückhaltender Empathie zu erzählen. Wie beiläufig verhandelt die Regisseurin obendrein Themen wie Trauer, Verlust und unterschiedliche Lebensformen und ebenso unterschiedliche Interpretationen von Feminismus. Und wieder einmal hat sie ein perfektes Ensemble zusammen: Bruni Tedeschi glänzt als stille, manchmal etwas schroffe und unbeholfene und dann wieder aufgekratzt-fantasievolle Sandra, ebenso wie Marmaï als überforderter Vater und der junge César Botti als aufgeweckter Junge, der in Sandra keinen Mutterersatz sucht, sondern eine erwachsene Freundin findet. Es ist ein Ensemblefilm, in dem jede Rolle perfekt besetzt zu sein scheint. Und es ist ein Film, der verzaubert.
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