Kritik zu Speak No Evil

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Ein dänisches Paar folgt nach gemeinsam verbrachten Ferien der Einladung ihrer holländischen Freunde – mit unabsehbaren Konsequenzen

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Urlaubsbekanntschaften weiterzuführen, kann heikel werden. Im fernen Land, unter ungewohnten Umständen, kam man prächtig miteinander aus. Beim Wiedersehen dann, nachdem der Alltag wieder eingekehrt ist, werden mit einem Male die Differenzen sichtbar, fühlt sich das Beisammensein eckig und kantig an.

So geht es auch Bjørn, Louise und Tochter Agnes, der Familie aus Dänemark, als sie der Einladung von Patrick, Karin und Sohn Abel folgt, der Familie aus den Niederlanden, die sie beim Italienurlaub in der Toskana kennengelernt haben. Und war das dort nicht wunderschön?! So schön, dass dem sanften Bjørn sogar die Tränen kamen, als eines Abends im lauschigen Garten der verwunschenen Villa Claudio Monteverdis »Amor. Lamento della Ninfa« dargeboten wurde. Ein herzergreifender Trauergesang, der später ein weiteres Mal zu hören sein wird. Dann allerdings dient er nicht der Erbauung von begüterten Urlaubern, sondern beklagt tatsächlichen, grausamen Tod.

Mit der Musik ist ohnehin nicht zu spaßen in »Speak No Evil« von Christian Tafdrup; von der ersten Minute an macht sie klar, dass hier etwas nicht stimmt und das Publikum sich besser gefasst machen sollte. Denn während die Scheinwerfer eines Wagens Schneisen in eine finstere Nacht schlagen, dräut und droht der von Sune Kølster komponierte Score mächtig und unheimlich auf der Tonspur – und man fragt sich: Warum? Es ist doch gar nichts los. Noch!

Bjørn, der in Patrick eine Art von Männlichkeit verkörpert sieht, die er uneingestanden für sich selbst wünscht – zupackender, ja, aggressiver –, ist es auch, der darauf dringen wird, das Angebot der Bekannten aus Holland anzunehmen, das eines Tages in die dänische Hochhauswohnung flattert. Also macht man sich auf den Weg zu einem Wochenendbesuch und landet in einem abgeschiedenen Häuschen, wo die beengten Verhältnisse für das erste Unbehagen sorgen. Auch die Ungeniertheit der Gastgeber stößt vor allem Louise auf. Aber man ist schließlich zivilisiert und höflich und hat gelernt, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Tafdrup, der mit »Speak No Evil« ein gemeinsam mit seinem Bruder Mads geschriebenes Drehbuch verfilmt, demonstriert nüchtern und gnadenlos, wie böse dieses Spiel werden kann, wenn die gute Miene zu lange gemacht wird. Als Bjørn Patrick gen Ende fragen wird, warum er tut, was er tut, antwortet der: Weil du mich gelassen hast. Womit er dem Familienvater das Versagen bescheinigt, Frau und Kind beschützen zu können, und so an seiner empfindlichsten Stelle trifft.

Die kalte Grausamkeit, mit der sich schließlich die Eskalation vollzieht, ruft Erinnerungen an Michael Hanekes »Funny Games« (1997) wach, in dem es bekanntermaßen ziemlich unlustig den leichtfertigen Gewaltspielereien des Exploitation-Kinos an den Kragen ging. Und auch wer bislang glaubte, Hinterwäldlerhorror gäbe es nur in den USA, sieht sich hier eines Schrecklicheren belehrt. Zu danken ist die Schlagkraft des Ganzen nicht zuletzt den Schauspieler:innen, die mit ihren Charakteren bewegen, wo sonst oft Chargen kalt lassen. Ein US-amerikanisches Remake ist bereits in Planung.

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