Kritik zu Sieben Tage Sonntag

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Niels Laupert transportiert in seinem Debütfilm den wahren Fall eines Mordes aus Langeweile aus Polen nach Leipzig und hält sich ansonsten streng an die Fakten der unerhörten Geschichte

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Auf den 14. Januar 1996 datiert Niels Laupert die Geschichte seines Films »Sieben Tage Sonntag«, obwohl das Datum keine Rolle spielt. Auf die Geschichte gestoßen ist der Regisseur durch einen Zeitungsartikel: Zwei Jugendliche in Polen bringen einen Menschen um, einfach so, ohne Motiv, aus Langeweile, eine Wette. Sie werden verhaftet, bereuen nichts, das Gericht behandelt sie ob ihrer Kaltblütigkeit wie Erwachsene und verurteilt sie zu lebenslänglicher Haft. Das ist eine trostlose Geschichte, die auch deshalb so kurz ist, weil die Leere, in der die Jungen leben und die in den Jungen herrscht, so groß ist.

»Für mich ist es keine explizit polnische Geschichte, sondern ein universelles Problem«, sagt Niels Laupert, der mit »Sieben Tage Sonntag« seinen Abschlussfilm an der Filmhochschule in München vorgelegt hat. Man ist gewillt, ihm recht zu geben. Nur sollte unter »universell« dann mehr verstanden werden als die Austauschbarkeit des Ortes. Darauf nämlich reduziert Laupert den Begriff: Er verlegt die Geschichte vom Rand einer polnischen Stadt an den Rand von Leipzig, auch wenn das nicht zu erkennen sein soll. Diese marginal scheinende Transposition trübt die erzählerische Glaubwürdigkeit der Geschichte empfindlich: Wenn Adam (Ludwig Trepte), der bei seiner Großmutter (Karin Baal) lebt und später auf die wahnwitzige Tat verfallen wird, zu Beginn den vom aggressiveren, streunenden Tommek (Martin Kiefer) angeregten Raub des Messweins in der nahen Friedhofskirche scheut, dann sagt das etwas über seinen Glauben aus. Und diese Nähe von Plattenbausiedlung und tiefem Katholizismus ist eben nichts Universelles, sondern etwas sehr Polnisches. Im protestantisch, wenn mittlerweile nicht atheistisch geprägten Leipzig wirkt sie so fremd wie das »Derrick«-Telefon im unsanierten DDR-Neubau der neunziger Jahre.

Trotz solcher Ungereimtheiten entpuppt sich Laupert als Anwalt eines Realismus, der davon ausgeht, dass der unerhörten Begebenheit am besten gedient sei, wenn sie protokollarisch nachgestellt wird. Also folgt der Film seinen Protagonisten durch den ereignislosen Tag, den die Recherchen ergeben haben. Daraus folgt aber nichts für das Verständnis der Katastrophe: Adam ist zart und verliebt, Tommek ein Aufschneider und Intrigant – wie es dazu kommt, dass beide zu Mördern werden, kann sich jeder selber denken: Die Kunst kapituliert vor dem Faktizismus der Recherche, statt mit ihrer Fantasie die erzählerische Lücke zu füllen, die in der Wirklichkeit klafft. So wird der Film zu seinem eigenen Zuschauer. Laupert behelligt seine fähigen Schauspieler weder mit Psychologie noch mit dokumentarischer Distanz, manchmal fraternisiert er gar mit ihnen in einem wehmütigen Impressionismus, der das Verlorene an der Pubertät feiert. Das wird am deutlichsten durch die Musik: Die melancholischen Songs der britischen Band Portishead mögen zum Zeitkolorit beitragen und als Erinnerung an vergeudete Tage als Teenager taugen. Ihre Traurigkeit ist aber nicht tief genug für die Monstrosität eines Mordes, wie Adam und Tommek ihn begangen haben.

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