Kritik zu Sharaf

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Der Zweck eines falsches Geständnisses: Der deutsch-ägyptische Regisseur Samir Nasr erzählt in seinem Film vom Gefängnis als institutionellem Spiegelbild der Gesellschaft

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Institutionen sind, das wusste schon der französische Philosoph Michel Foucault, ein Spiegel der jeweiligen Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass aus dem Ort Gefängnis ein ganzes Genre gewachsen ist. Zu gut lässt sich hinter Gittern ein Gegenraum aufmachen, in dem sich große systemische Fragen erzählerisch verdichten lassen.

Genau das ist es, was Regisseur Samir Nasr in seinem Film »Sharaf« im Sinn hat: das Gefängnis, in dem sein Film fast ausschließlich spielt, als verdichtetes Spiegelbild von arabischen Gesellschaften nutzen, die unter Diktaturen und Armut leiden. Nasr, Sohn eines ägyptischen Vaters und einer deutschen Mutter, der Ägypten nach dem Abitur an der deutschen Schule in Kairo Richtung Deutschland verlassen hat, musste den in Ägypten geplanten Dreh infolge von Repressalien gegen Mitarbeitende in den Libanon verlegen. 

Er schickt seinem Film die Info voraus, dass der von Erfundenem in einer erfundenen Welt handelt, um dann gleich eine brutale Realität zu etablieren. Da sitzt Sharaf (Ahmed Al Munirawi) beim Verhör und wird von Polizisten in die Mangel genommen. Sie wollen ihm das falsche Geständnis abringen, dass er einen Mann nicht in Notwehr, sondern vorsätzlich getötet hat. Er wird festgebunden, mit Elektroschocks malträtiert. Als die Polizisten damit drohen, seine Schwester hereinzuholen, um »er wisse schon was« mit ihr anzustellen, gibt er klein bei.

In dem Gefängnis, in das Sharaf gesteckt wird, herrschen klare Verhältnisse. Die Wächter regieren mit harter Hand, Offizier Edko (Khaled Houissa) verlässt sich auf seine Spitzel, die er unter den Gefangenen ausmacht. Die wiederum werden aufgeteilt in die staatlichen und die königlichen Gefangenen. Erstere müssen niedere Arbeiten verrichten, hausen in überfüllten Betonzimmern und bekommen schlechte Gefängnismahlzeiten, Letztere erkaufen sich Privilegien, wie einen Aufenthalt in Alltagskleidung und gutes Essen, das die Angehörigen zur Verfügung stellen. Einmal gibt es edles Bœuf Stroganoff.

An diesem Ort erzählt Nasr nach dem gleichnamigen Roman von Sonallah Ibrahim, eine der bekanntesten arabischen literarischen Stimmen, eine Geschichte über autokratische Gewalt und Korruption. Die Freigeister werden, hier verkörpert durch den Arzt Dr. Ramzy Yacoub (Fadi Abi Samra), den Sharaf als Zellenmitbewohner bei den Königlichen kennenlernt und der so eine Art Mentor für ihn wird, bespitzelt und weggesperrt. Nach einem subversiven Theaterstück, dass der Doktor mit seinen Zellenkumpanen am Nationalfeiertag aufführt, landet der Arzt in Einzelhaft. »Eine schlafende Nation. Ihr seid schon euer ganzes Leben lang betäubt«, brüllt der.

»Sharaf« funktioniert als Parabel, die allerdings an der zerstückelten Inszenierung mit unnötig vielen Zwischentiteln erzählerisch leidet. Zu schemenhaft bleiben auch die Figuren, außer dem charismatischen Arzt. Ein politisch wichtiger Film mit einigen erinnerungswürdigen Vignetten ist Nasr dennoch gelungen.

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