Kritik zu The Program – Um jeden Preis

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Vom Superstar zum Superschurken: Detailreich und gründlich beschreibt Stephen Frears, wie Radprofi Lance Armstrong mehr als ein Jahrzehnt lang die Sportwelt täuschen konnte

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Hollywood plane einen Film über ihn, verkündet Lance Armstrong einmal den Fahrern vom Team Postal. Wer ihn denn spielen solle, fragt einer. Und Arm­strong, im Begriff, die Tour de France zum siebten Mal in Folge zu gewinnen, und auf dem Höhepunkt seiner Macht, tippt auf Matt Damon. Vermutlich läuft da schon ein Sportfilm mit grandioser Comeback-Story vor seinem inneren Auge ab, ein typisches Heldenepos über den US-Boy, der es vom Krebspatienten zum Träger des Gelben Trikots schafft. Tatsächlich war Damon einst für die Rolle im Gespräch, als Frank Marshall die Verfilmung von Armstrongs Autobiografie plante. Der Produzent gab dann aber doch lieber eine Dokumentation in Auftrag. So mussten noch ein paar Jahre vergehen – Jahre, in denen sich die Vorzeichen dramatisch änderten. Der erfolgreichste Radprofi aller Zeiten gilt längst als größter Betrüger der Sportgeschichte, und statt des pathetischen Feelgoodmovies gibt es nun ein nüchternes Enthüllungsdrama, personifiziert im Wechsel vom sympathischen Sonnyboy Matt Damon zum neurotischen Finsterling Ben Foster.

»The Program« heißt dieser Film, und sein Titel ist ihm, nun ja, Programm. In großer Ausschließlichkeit widmet er sich jenem ausgeklügelten, perfiden, allumfassenden Dopingprogramm, das Armstrong zum Ziele der Leistungssteigerung entwickelte und über mehr als ein Jahrzehnt erfolgreich praktizierte. Punkt für Punkt wird die Chronologie abgearbeitet: von den ersten, noch relativ unschuldigen Versuchen mit EPO bis zum strategischen Bündnis mit Sportarzt Michele Ferrari (Guillaume Canet), von immer raffinierteren Verfahren der Blutwäsche bis zu den »politischen« Methoden der Einschüchterung von Mitwissern und der Instrumentalisierung von Armstrongs Starstatus.

Das Drehbuch basiert auf dem Buch von »Sunday Times«-Reporter David Walsh (Chris O'Dowd), den Regisseur Stephen Frears und Autor John Hodge gleich zu Beginn als Armstrongs Gegenspieler etablieren. Es gelingt ihnen aber nur teilweise, seine Recherchen in einen adäquaten Spannungsbogen zu verwandeln: Walsh, der Armstrong schon interviewte, als dieser noch weitgehend unbekannt war, kann zwar die rätselhafte Leistungsexplosion des Amerikaners bezeugen, stichhaltige Beweise für seinen schon früh aufkommenden Verdacht findet er jedoch nicht. Folglich unterliegt er in einem Prozess gegen Armstrong, und damit geht dem Film schon früh die Luft aus, denn weder kommt es zum echten Showdown, noch ist Walsh am Ende derjenige, der Armstrong das Handwerk legt. Diese Rolle kommt Teamkamerad Floyd Landis (Jesse Plemons) zu.

»The Program« ist stark in der detaillierten, fast dokumentarischen Beschreibung der verbotenen Praktiken und ihrer geheimen Unterstützer, stellenweise auch mitreißend in der Darstellung des Radsports. Weil die Macher jedoch ganz bewusst auf dramaturgisches Doping verzichten – wir erfahren fast nichts übers Privatleben und die sportliche Konkurrenz mit Fahrern wie Jan Ullrich –, ist er auch ziemlich eindimensional geraten.

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