Apple TV: »Pluribus«
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Im neuen Streich von »Breaking Bad«-Mastermind Vince Gilligan wird fast die gesamte Menschheit transformiert und teilt sich fortan ein Bewusstsein – bis auf eine Frau, die immun scheint
Carol Sturka könnte zufrieden sein: Als Autorin von historischen Romanzen hat sie Erfolg, ihre Partnerin Helen unterstützt sie bei ihrer Arbeit, mahnt aber auch an, ob es nicht endlich Zeit sei für den ernsthaften Roman, den Carol immer schreiben wollte. Rührt daher Carols Unzufriedenheit, auch mit sich selbst?
Eines Tages wird sie Zeuge, wie Menschen unkontrolliert anfangen zu zittern, tot und dann wie verwandelt sind. Auch Helen überlebt dieses tragische Ereignis nicht. Carol ist der letzte Mensch auf der Welt – oder besser gesagt, der letzte Mensch, wie wir ihn kennen. Alle anderen sind verwandelt in »pods«: So hießen sie in »Invasion of the Body Snatchers«, dem Filmklassiker von Don Siegel über eine außerirdische Invasion aus dem Jahr 1956. Die vielen sind jetzt eine einzige Entität, deren menschliche Hüllen noch so sind wie zuvor, deren Denken und Handeln aber keinerlei Individualität mehr aufweist. Zudem wissen sie alles, auch über Carol. Dabei sind sie, die immer nur als »Wir« sprechen, ausgesprochen höflich, betonen, dass Gewaltanwendung nicht in ihrer Natur liege und erfüllen Carol jeden Wunsch – selbst wenn es ihren Interessen widerspricht. Werden sie Carol überzeugen können, dass eine Welt mit »peace, love and understanding« eine Alternative zu ihrer unglücklichen Existenz ist?
Eine Frau gegen den Rest der Welt – nicht ganz, denn wie im Klassiker von Richard Matheson, »The Last Man on Earth«, gibt es auch hier weitere Menschen, die immun sind gegen die Transformation. Weltweit sind außer ihr noch zwölf andere betroffen. Ein erstes Treffen mit ihnen verläuft enttäuschend, manche von ihnen würden lieber jetzt als morgen transformiert werden, woran die außerirdische Macht noch arbeitet. Allerdings gibt es einen Mann in Paraguay, der nachträglich entdeckt wird und sich durch Beharrlichkeit und Widerstandswillen auszeichnet. Wird er Carols Verbündeter? Werden sie das Geheimnis der Transformation lösen? Vor allem: Ist die Transformation umkehrbar und wenn ja, wie? Zwischen der detektivischen Erforschung der Zusammenhänge und seltenen Momenten, in denen es Carol gelingt, sich fallen zu lassen, bewegt sich die Geschichte vorwärts. Dabei ist Carol keine Identifikationsfigur, die es dem Zuschauer leichtmacht: aufbrausend, schnell mit Beschimpfungen zur Hand – von denen sie auch nicht ablässt, nachdem ihr klargemacht wurde, was für Konsequenzen ihre Wutausbrüche für andere haben. In der vierten Episode erfahren wir, warum sie so vehement auf ihrer Individualität beharrt.
»Pluribus« ist das neue Werk von Showrunner Vince Gilligan, der mit »Breaking Bad« und »Better Call Saul« Maßstäbe im Serienbereich gesetzt hat. Aus Letzterem hat er Rhea Seehorn mitgebracht, die einen sehr eigenen Tonfall für die Protagonistin findet. Bis Redaktionsschluss waren nur die ersten sieben Folgen zu sehen. Eine Auflösung am 26. Dezember, wenn die finale Folge läuft, sollte man nicht erwarten – eine zweite Staffel wurde bereits angekündigt. Was erfreulich ist.
OV-Trailer




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