Kritik zu Land of Dreams

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Shirin Neshat will ein satirisches Gesellschaftsporträt des Mittleren Westens der USA zeichnen und verliert sich in einer poetischen (Alp-)Traumlandschaft

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USA, eine nicht genau datierte, aber nicht allzu ferne Zukunft. Simin Hakan reist im Auftrag der US-amerikanischen Zensusbehörde durch den Mittleren Westen und befragt die Menschen im Hinterland nach ihren Träumen. Wer skeptisch ist, wird von der empathischen Simin überzeugt, die Traumerfassung erfolge nur zur eigenen Sicherheit. Was das bedeuten soll, hinterfragt Simin selbst nicht, schließlich handelt sie im Auftrag ihrer Behörde. Erst als sie auf immer widerständigere Interviewpartner*innen und eine Kolonie vergreister iranischer Exilrevolutionäre trifft, kommen ihr Zweifel an den Motiven ihrer Vorgesetzten. 

»Land of Dreams« ist ein Film, den man künstlerisch und thematisch mögen möchte: In Panorama-Einstellungen breitet sich die beeindruckende Weite des Mittleren Westens der USA aus. Sie wird bevölkert von skurrilen Figuren, angeführt von einer verträumt wirkenden sympathischen Protagonistin, die von undurchschaubaren Sidekicks durch einen surrealen Plot begleitet wird. All das mit dem Anspruch, eine Zustandsbeschreibung der US-amerikanischen Gesellschaft mit den Mitteln der Satire zu erreichen. Regisseurin Shirin Neshat ist in Iran geboren, lebt seit 1996 in den USA und wurde zunächst als Fotografin und Videokünstlerin bekannt. Für ihren dritten Spiel- und ihren ersten englischsprachigen Film arbeitete sie mit dem inzwischen verstorbenen Jean-Claude Carrière zusammen. Der Lieblingsautor von Luis Buñuel schrieb unter anderem das Drehbuch zu »Der diskrete Charme der Bourgeoisie«. Eigentlich die besten Voraussetzungen für ein Meisterstück moderner Gesellschaftskritik mit dem distanzierten Blick von außen.

Tatsächlich fühlt sich das Land der Träume, wie Neshat es zu überzeichnen und Carrière es narrativ zu erschließen sucht, selbst wie ein Traum an. Die losen Fäden, plötzlich auftauchende Charaktere und die verweigerte lokale und zeitliche Verortung in der erzählten Zeit verleihen dem Film etwas Flüchtiges, Vages. Neshats Kritik an der von rassistischen, fundamentalistischen, evangelikalen Stereotypen bevölkerten Handlung verharrt aber an der Oberfläche. Spannung entsteht nur durch das lauernde Gefühl, dass bald etwas Fürchterliches passieren muss. Doch »Land of Dreams« bleibt bis zum Schluss seltsam indifferent und genügt sich in seiner poetischen Ästhetik und Bedeutungsschwere. An den Darsteller*innen liegt das nicht. Für die Szenen, in denen lakonischer Humor aufblitzt, ist meist das Zusammenspiel von ­Sheila Vand als Simin und Matt Dillon als tumbem Bodyguard verantwortlich. Auch Anna Gunn und Christopher McDonald schlüpfen in unterschiedliche Rollen, allein William Moseley bleibt als antriebsarmer und liebestoller Wanderdichter ziemlich blass. 

»Land of Dreams« fühlt sich an, als wären wir auf der Couch eingeschlafen, während im Hintergrund ein David-Lynch-Film läuft. Wir wachen auf, blinzeln kurz, fragen uns vielleicht, was all das zu bedeuten hatte – nur um uns bald darauf an nichts mehr zu erinnern.  

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