Kritik zu The Green Knight

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2020
Original-Titel: 
The Green Knight
Filmstart in Deutschland: 
29.07.2021
Heimkinostart: 
09.12.2021
L: 
125 Min
FSK: 
16

David Lowery hat sich mit ganz verschiedenen Filmen einen Namen gemacht: von »Pete's Dragon« über »Ghost Story« bis zum Robert-Redford-Vehikel »The Old Man & the Gun«. Sein neuer Film hat hypnotische Qualität

Bewertung: 5
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Man kann ein großer Freund des Kinos sein und es trotzdem verdächtig finden, mit welch pathetischen Worten seine kulturelle Bedeutung gerade ständig beschworen wird. Manche sind es leid, ständig darauf hingewiesen zu werden, dass man diesen oder jenen Film unbedingt auf der großen Leinwand sehen soll. David Lowerys »The Green Knight« aber ist noch mal eine andere Kategorie. Der Film steht für eine Immersion, eine Magie, die pures Kino ist. Und zwar ganz egal, wo man ihn guckt. Wobei ein Kino mit großer Leinwand und gutem Lautsprechersystem schon irgendwie ideal wären. 

»The Green Knight« zieht den Zuschauer hinein in seine Welt, bevor man noch recht versteht, wo man sich befindet und um was es geht. Die, die sich vorher schlaugemacht haben, wissen, dass die Sage von »Sir Gawain und dem Grünen Ritter« zu den Artus-Epen gehört. Tiefstes Mittelalter also. Dev Patel verkörpert Gawain, den die ersten Szenen beim sorgenlosen Treiben mit der Geliebten Esel (Alicia Vikander) im Bordell zeigen. Er ist kein Schwerenöter, die Frauen machen sich lustig über ihn. Patel verleiht seiner Figur einen ungelenken Charme, der sich aus Naivität und Unzufriedenheit mit sich selbst zusammensetzt. Dem König (Sean Harris), der ihn zu sich ruft, bekennt er schamhaft, von keinen Taten erzählen zu können. 

Als wenig später die seltsame Gestalt des Grünen Ritters den Saal der Tafelrunde betritt, gehen da wie aus Angst die Fackeln aus. Der Hüne äußert eine merkwürdige Herausforderung: Einer der Ritter solle ihn jetzt schlagen, dann würde er ihm in Jahresfrist an anderer Stelle, in der »Grünen Kapelle«, das Gleiche tun. Gawain meldet sich, greift die Axt und haut dem Ungetüm den Kopf ab. Das daraufhin den Kopf vom Boden aufliest, sich wieder aufsetzt und von dannen schreitet. »Nach einem viel zu schnell vergangenen Jahr«, heißt es im nächsten Insert. Gawain erwägt, gar nicht erst aufzubrechen.

Es hat etwas Merkwürdiges, wenn man den Film so nacherzählt. Denn das Eigentliche, das, was den Film einzigartig und sein Erleben so besonders macht, spielt sich woanders ab. Oder auf so vielen verschiedenen Ebenen, dass man sie kaum in Kohärenz beschreiben kann. Da ist die Weise, in der Lowery Bild und Ton in ein Verhältnis setzt, bei der das eine das andere Mal irritiert und mal verstärkt. Das Sounddesign malt eine Stimmung der Suche, des Aufbrechens ohne Ziel. Die Bilder wechseln zwischen huschenden Detaileinstellungen und Totalen, die den Blick öffnen für die abstrakten Strukturen einer Landschaft. Nie fühlt man sich heimisch in diesem Mittelalter; man ist, mit den Augen und dem Empfinden von Gawain, immer fremd an diesen Orten, wie er weiß man nicht, wie man sich verhalten soll. 

Denn als Gawain aufbricht, seinem doch besiegelt scheinenden Schicksal entgegen, begegnet er auf dem Weg seltsamen Gestalten, die teuflischerweise manchmal denen ähneln, die er schon kennt. Er wird ausgeraubt. Eine Lady fordert ihn auf, ihren Kopf aus einem tiefen See zu holen. Ein Edelmann überschüttet ihn mit Geschenken, während dessen Frau ihn zu verführen versucht. Nie ist sich Gawain sicher, dass er das Richtige tut oder lässt. Manchmal fächert Lowery einen alternativen Schicksalsweg auf: Was wenn er beim Überfall im Wald gestorben wäre? Was wenn er noch vorm Erreichen der Grünen Kapelle umgekehrt wäre?

Sean Harris (den man als Zentralbösewicht der letzten »Mission: Impossible«-Filme kennt) entfaltet mit wenigen Sätzen magnetische Kraft; Kate Dickie (die sich in »Game of Thrones« als verrückte Lysa Arryn dem Gedächtnis eingebrannt hat) muss nur schauen und sorgt für Gänsehaut. Dass es Dev Patel trotzdem gelingt, seiner Figur menschliche Wärme einzuflößen, grenzt an ein Wunder. In seiner Wirkung erinnert »The Green Night« an die besten Filme von Andrej Tarkowski, die diese einzigartige Kinoqualität besitzen: Sie sprechen zu einem, ohne dass man sie verstehen muss.

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