Kritik zu Fifty Shades of Grey

© Universal Pictures

Ist da nun harter Sex drin? Oder bloß heiße Luft? Die lange erwartete Verfilmung des Erotikbestsellers entpuppt sich als gemächlich inszeniertes, glamourös ausgestattetes Drama um eine junge Frau, die wahre Liebe sucht

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Das Shades-of-Grey-Massageöl von Douglas und den Kabelbinder aus dem Baumarkt können wir wieder wegpacken: Das hier ist kein BDSM-Kracher, eher so etwas wie ein Problemdrama. Eine gute halbe Stunde dauert es, bis die 21-jährige Literaturstudentin Anastasia Steele und der sechs Jahre ältere, steinreiche Unternehmer Christian Grey den ersten Kuss tauschen. Nach vierzig Minuten verliert die schüchterne, etwas wuschige Ana ihre Unschuld. Und nach weiteren fünf Minuten steht sie am Herd, um Frühstück zu machen. Denn Ana ist eigentlich eine ganz »normale« Frau, die nach Mr. Right sucht. Christian scheint es zunächst nicht zu sein, jedenfalls hält er sich selbst nicht dafür. Der Mann ist kühl und herrisch; er steht auf Bondage und möchte Ana zu seiner »Sub«, seiner Sklavin, machen.

Was unter consenting adults heute kein großes Problem mehr sein müsste – Steven Shainbergs Secretary hat die Neigung zur Unterwerfung und zur Endorphinproduktion durch Schmerz vor Jahren schon komödiantisch verhandelt – liefert in Fifty Shades of Grey ein ganzes Set von Konflikten, die tränenreich bearbeitet werden und vorerst nicht gelöst werden können, schließlich gibt es noch zwei »Shades«-Bände. Will Ana wirklich den verruchten Sex, der den literarisch nicht satisfaktionsfähigen Roman zum Bestseller gemacht haben soll? Welches traumatische Ereignis hat Christian Flogger und Paddle in die Hand gespielt, und wie kommt er davon wieder los? Wird sie den Pakt mit dem Teufel unterschreiben, ein ellenlanges Dokument, das von der Verhütung über die Diät bis zum Sexspielzeug sämtliche Details der angepeilten SM-Verbindung erfasst?

Hinter den sich durch den Film ziehenden, merkwürdig insistenten Debatten steckt ein reales Dilemma. Tatsächlich ging es im »Shades«-Universum nie um Lust und Wagnis, sondern im Gegenteil um den Druck, den unsere permissive Sexualmoral und die allgegenwärtige, immer noch männergesteuerte Pornografie besonders auf junge Frauen ausüben: Wer’s heute nicht beim ersten Date schon mal anal macht, hat im Verteilungskampf schlechte Chancen.

Der Film antwortet auf solche Ängste mit einer visuellen Kitsch- und Konsumorgie, einer ikonografischen Rückzugsschlacht, die jede auch nur halbwegs experimentelle Regung im Keim erstickt. Dakota Johnson – Ana – ist vielleicht keine untalentierte Darstellerin, wird aber beharrlich als keimfreie Kindfrau in Szene gesetzt, und überhaupt wirkt der Look, den die Regisseurin Sam Taylor-Johnson (Nowhere Boy) hier favorisiert, überraschend konservativ und angestrengt »wertig«: gedeckte Farben, viel Plüsch und gebürsteter Beton, somnambule Kamerafahrten, ein überladener Soundtrack. Am Ende, wenn doch noch etwas SM stattfindet, stellt sich der Verdacht ein, dieser »ästhetische« Appeal sei nicht nur dazu da, die Geschichte fürs Mainstreampublikum herzurichten. Vielmehr übertüncht er das wirklich Traurige an 50 Shades of Grey: dass der Sex weder konsensuell noch spaßig ist. Er ist eine Verkaufsstrategie, eine Waffe oder, in Anas Fall, ein Opfer, das auf dem Altar der romantischen Paarbeziehung gebracht werden muss. Irgendwann wird es für sie und ihren peitschenden Prinzen ein Happy End geben – in einem Freixenet-Werbeclip.

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