Kritik zu Ein russischer Sommer

© Warner Bros. Pictures

Der Film zum Buch zum Todesjahr von Leo Tolstoi: Vor bald 100 Jahren starb der große russische Dichter, nicht ohne sich vorher noch heftig mit seiner Ehefrau zu streiten, was dieser Verfilmung ihren vermeintlich originellen Ausgangspunkt liefert

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Die Verfilmung des Lebens berühmter Persönlichkeiten ist eine knifflige Sache. Allzu leicht verheddert sie sich im Tautologischen – ich erzähle euch alles, was ihr schon wisst – und erstarrt somit in der kalkulierten Ehrfurcht vor ihrem Gegenstand. Ein Ausweg aus dem damit verbundenen Abhaken von Lebensstationen kann in dem Fokussieren auf einen biografischen Schlüsselpunkt liegen, wie es etwa Bennett Miller mit »Capote« vollbrachte. Oder im Kontern von Kunst mit Kunst wie Todd Haynes es in seinem »Schizo-Pic« »I'm not there« unternnahm. Was aber mag einem zu Leo Tolstoi einfallen?

Der amerikanische Autor und Literaturwissenschaftler Jay Parini ließ sich in seinem Buch »Tolstois letztes Jahr« auf eine multiperspektivische Annäherung an eben jenes letzte Lebensjahr ein, in dem er den Widersprüchen des damals bereits weltberühmten, greisen Dichters nachspürt. Der zu Tode zitierte erste Satz von Anna Karenina, nach dem jede unglückliche Familie auf ihre eigene Art unglücklich sei, feiert hier seine unzähligste Wiederauferstehung. Wie auch der russische Großdichter, dessen Todestag sich 2010 zum hundertsten Mal jährt. Der Film zum Todesjahr, zum Buch und zum Dichter heißt nun »Ein russischer Sommer«, kontert also das düstere »letzte Jahr« mit einer Jahreszeit, die sonnendurchflutete Bilder verspricht. Diese wurden nicht in Russland, sondern in Mitteldeutschland in Szene gesetzt, von dem amerikanischen Regisseur Michael Hoffman in einer deutsch-britisch-russischen Koproduktion. Satt gefördert, eine Besetzung, der man bereitwillig ihre »Hochkarätigkeit« bescheinigt, schielt dieses Projekt auf ein bildungsbürgerliches Publikum, von dem man allerdings weiß, das es nicht oder selten ins Kino geht.

»Ein russischer Sommer« will kein Drama sein, aber auch keine echte Komödie. Auf absurde Weise bedient der Film dieses Dilemma, indem er ständig auf Abstand zu sich und seinem möglichen Thema geht: Der finale Akt einer knapp fünfzig Jahre währenden Ehe, aus der insgesamt 13 Kinder hervorgingen, wird zu possierlich-kessen Schmunzelscharmützeln umgedeutet. Damit der Film sich nicht im Geriatrischen verläuft, wird den alten Kämpfern ein junges Glück an die Seite gestellt. Tolstois junger Sekretär Valentin darf erste erotische Wirren durchlaufen, damit sich ab und zu die nackten Brüste seiner Mascha ins Scope-Format schaukeln können. Wie so vieles, wenn nicht alles dem Schauwert geschuldet ist: Arbeiter stehen mit ihren Sensen auf weitläufigen Feldern, die sie zu geometrischen Mustern bearbeiten. Mehr als einem Film gleicht »Ein russischer Sommer« einem Trailer seiner selbst, der sich und seine selling points ständig ausstellt.

Christopher Plummer und Helen Mirren sind erfahren genug, um sich nicht allzu sehr ins Papierne ihres Zeugs zu legen. Der britische Star James McAvoy hingegen läuft völlig ins Leere von Hoffmans Inszenierung. Sein mal staunend, mal eifrig, mal bedrückt, aber immer gequälter Gesichtsausdruck erweckt den Eindruck, als teile er die ganze Zeit jene Bauchschmerzen, die dieser Film dem Zuschauer bereiten wird.

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