Kritik zu Effigie – Das Gift und die Stadt

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True Crime: Dicht an den überlieferten Fakten erzählt Udo Flohr die Geschichte einer Serien-Giftmörderin in der gehobenen Gesellschaft Bremens Anfang des 19. Jahrhunderts, der man erst spät auf die Spur kam 

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Spektakuläre Kriminalfälle haben schon viele Regisseure zu herausragenden Filmen inspiriert. Fatih Akins Berlinale-Beitrag »Der goldene Handschuh« um den Frauenmörder Fritz Honka von St. Pauli etwa. Oder auch der ARD-Dreiteiler »Das Geheimnis des Totenwaldes« um die Göhrde-Morde, mit deren teils katastrophalen Ermittlungen Kriminalgeschichte geschrieben wurde. So unterschiedlich die beiden Inszenierungen sind, sie leben auch davon, dass sie vergangene Zeiten heraufbeschwören, mit aufwendigen Kulissen und Kostümen faszinieren und den Geschichten neue Ebenen hinzufügen. Der Fall der Gesche Gottfried, einer Giftmörderin in Bremen zu Anfang des 19. Jahrhunderts, bietet da reichlich Potenzial. Mit fast 60 Jahren hat sich der Wissenschaftsjournalist Udo Flohr in seinem Spielfilmdebüt diesem spektakulären Fall gewidmet. Es ist ein hübscher Kostümfilm geworden, der solides Erzählkino bietet.

Gesche Gottfried war Teil des Bremer Bürgertums, angesehen, für die damalige Zeit durchaus gebildet. Ihre drei Kinder sowie mehrere ihrer Ehemänner waren gestorben – wie sich erst später herausstellte, durch von ihr verabreichtes Mäusegift. Insgesamt 15 Menschen soll sie so umgebracht haben, darunter auch ihre Eltern und ihren Bruder. 1831 wurde sie in Bremen hingerichtet. Ihre Motive sind bis heute unklar. Und auch der Film bietet nur vage Erklärungsversuche an. Die einfachste: eine psychische Erkrankung, eventuell das Münchhausen-Stellvertretersyndrom. Denn Gesche kümmerte sich oft aufopferungsvoll um die Opfer, die ihre Vergiftungen – teils nur Tage – überlebten.

Suzan Anbeh legt diese Gesche als undurchsichtige, unabhängige und laszive Frau an, die sich nimmt, was sie will, und sich zugleich als ehrbare Bürgerin präsentiert, getriebenen von unerklärlichen Kräften. Ihr Gegenpol bildet die junge Cato Böhmer (Elisa Thiemann), die eine juristische Karriere anstrebt – in einer Zeit, als Frauen nicht einmal studieren durften. Sie ist die Protokollantin des Untersuchungsrichters Senator Droste (Christoph Gottschalch), der die Ermittlungen auch schon viele Jahre zurückliegender Giftmorde erst ins Rollen bringt. Er versucht, diese Frau zu ergründen, wobei immer mal wieder eine über das Berufliche hinausgehende Faszination deutlich wird. Ansonsten erzählt Flohr, der auch am Drehbuch mitschrieb, sehr nah an den – zugegeben – allgemein wenig bekannten Fakten, was »Effigie – Das Gift und die Stadt« zu einem durchaus spannenden Biopic werden lässt. 

Parallelen zwischen der damaligen kommunalpolitischen und wirtschaftlichen Ver­filzung und  heutigen Zuständen lassen sich erkennen, die Darstellung zweier für ihre Zeit ungewöhnlicher Frauen fesselt. Immerhin ist es Cato, die eine politische Intrige verhindert und Gesche zu einem Geständnis bringt. Insgesamt aber fügt der Film der historisch belegten Geschichte wenig hinzu. Visuell wenig überraschend und konventionell erzählt, inszeniert Flohr ein Historiendrama. Die große Kinoleinwand bedarf es dafür nicht unbedingt.

Meinung zum Thema

Kommentare

2 Jahre war ich (bis auf Dune) nicht im Kino. Und dann das. Schlechtes Drehbuch, hölzerne Sprache, unklare Motivlage. Cato Bohmers Rolle ist hochgradig unglaubwürdig.
Und nur am Rande: dass ein Schaffner ca. 1850 einer Reisenden "einen schönen Tag" wünscht: diese Redewendung ist erst ca. 2000 aus dem USA zu uns herübergeschwappt. Schade um das interessante Sujet. Ich hörte, im Archiv der Öffentlich-Rechtlichen verberge sich eine 80er Jahre Verfilmung mit Sabine Sinjen. Her damit...

Meine Meinung:
Es ergibt sich eine Parallele zum Fall Niels
Högel - Morde - Auch er tat sich wichtig um zu "helfen".

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