Kritik zu Die guten und die besseren Tage
Auf dem Trockenen: In dieser französischen Sozialkomödie über Alkoholikerinnen auf Entzug wird die Kur unversehens in die Wüste verlegt
Das Leben ist eins der härtesten. Und wenn Suzanne nach einem langen Arbeitstag ihre drei kleinen Jungs gefüttert und ins Bett verfrachtet hat, gönnt man ihr fast den kräftigen Schluck aus der aus dem Versteck geholten Pulle. Doch am nächsten Morgen verursacht die verkaterte Mutter einen Autounfall, bei dem die Kinder um Haaresbreite unversehrt bleiben. Suzanne weist sich selbst in eine Entzugsklinik für Frauen ein.
Wie schaffen die Franzosen es bloß, abtörnende Themen zu Erfolgsfilmen – dieser fand bis jetzt eine halbe Million Zuschauer – zu verarbeiten? So gängig Alkoholismus als Filmthema ist, so wird einem doch erst mit diesem zwischen Sozialstudie und -komödie changierenden Film klar, dass bisher vor allem Männer im Fokus standen. Einfühlsam, jedoch ohne Larmoyanz werden hier Porträts von alkoholabhängigen Frauen skizziert und die Methoden aufgezeigt, mit dieser Krankheit umzugehen. Wie im Erfolgsfilm »Der Glanz der Unsichtbaren« über ein Heim für obdachlose Frauen setzt sich ein Großteil des Ensembles aus Laiendarstellerinnen und »echten« Alkoholikerinnen zusammen. Die Interaktion zwischen dem medizinischen Personal und den oft renitenten Patientinnen, die strengen Regeln unterworfen sind, doch beim Verleugnen ihrer Abhängigkeit und beim Alkoholschmuggeln enorme Kreativität entwickeln, wirkt dokumentarisch. Die Statements der Frauen, die direkt in die Kamera (mit dem Zuschauer als zuhörendem Therapeuten) erzählen, warum sie trinken, wechseln mit praktischen Übungen, bei denen sie etwa beigebracht bekommen, wie man bei Feiern elegant das Anstoßen umschifft.
Als roter Faden erweisen sich aber die Unterrichtsstunden bei Sportlehrer Denis, der, selbst trockener Alkoholiker, einen verrückten Plan hat: Er will mit den Frauen eine Auto-Rallye in der marokkanischen Wüste bestreiten. Das therapeutische Zauberwort lautet »Resilienz«, doch Denis hat vor allem selbst Spaß an dieser Herausforderung.
Tatsächlich ist es dieses Quäntchen männlichen Nerdtums, das dem weiblichen Zusammenglucken Schwung verleiht und die Handlung unerwartet auf eine metaphorische Ebene hebt. Reifenwechsel, Übernachten im Zelt und Navigation dienen nicht allein als Ablenkung von der Sucht. Von Panne zu Panne entdecken die Bruchpilotinnen ihren Überlebensinstinkt neu.
Die Hauptrollen sind prominent besetzt mit Darstellern, die im komischen Fach bekannt wurden. Valérie Bonneton als Witwe am Ende ihrer Kräfte, Michèle Laroque als glamouröse Schauspielerin und Clovis Cornillac als Kümmerer mit Helfersyndrom agieren zurückgenommen, jedoch mit leisem Galgenhumor. Und wo im Film aufgezeigt wird, dass weibliche Süchtige weit mehr als Männer von Scham und Schuldgefühl gepeinigt sind, lautet das ernüchternde Fazit dennoch: Es gibt immer einen Grund zu trinken. Ohne je zu moralisieren, gelingt es diesem kleinen, konzentrierten Film den Sisyphos-Charakter der Existenz zu veranschaulichen – als unentrinnbares Drama, dessen Härte aber besser durch menschliche Zuwendung als durch Alkohol gemildert werden kann.
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