Kritik zu Die Geschichte der Liebe

© Prokino

2016
Original-Titel: 
The History of Love
Filmstart in Deutschland: 
20.07.2017
L: 
135 Min
FSK: 
6

Regisseur Radu Mihaileanu (»Zug des Lebens«) beschäftigt sich in seiner ­Adaption des epischen Liebesromans von Nicole Krauss mit den verwirrenden Schicksalen jüdischer Emigranten in New York

Bewertung: 3
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In einer literarischen Beschwörung seiner Jugendliebe Alma, die zunächst ohne ihn vor den Nazis nach New York geflohen ist, schreibt der polnische Jude Leo Gursky das Buch »Die Geschichte der Liebe«. Die einzelnen Kapitel seiner Liebeserklärung schickt er Alma. Dank der Liebe übersteht Leo die Kriegsgräuel. Doch als er endlich in New York ankommt, ist sie vergeben. Und mittlerweile ist ihm auch sein Manuskript abhandengekommen. Der verschollene Text entwickelt ein Eigenleben und beeinflusst andere Menschen – während Leo zum vereinsamten Griesgram wird. Bis sein Buch zu ihm zurückkehrt: Das Manuskript dient in der Verfilmung noch mehr als in der Romanvorlage als MacGuffin, als Werkzeug, um die weit in Raum und Zeit ausholende Geschichte, ihre vielen Themen und ihr umfangreiches Personal zu legitimieren.

Bereits Nicole Krauss’ Roman war mit seinen komischen und bewegenden Episoden und Verkettungen sehr unterhaltsam. Dennoch erweckte ihre überschäumende Fabulierlust letztlich das Gefühl, dass hier die Katze ihre Jungen nicht mehr findet. In dem Versuch, das Puzzle zu veranschaulichen, zoomt die Verfilmung zwischen einem polnischen Dorf vor dem Krieg und dem New York der Jahre 1946, 1957, 1995 und 2006 hin und her, mit einem Abstecher nach Chile. Neben Leo sind seine zwei besten Freunde und Rivalen um Almas Gunst involviert; damit verflochten wird die Geschichte eines Mädchens, das nach jener literarischen Alma, »der meistgeliebten Frau der Welt«, benannt ist, seiner unglücklichen Familie und seines Schwarms. Als großer Unbekannter fungiert ein Sohn, dessen leiblicher Vater sich ihm zwar nicht zu erkennen geben darf, der aber dennoch .

Mehr soll nicht verraten werden von dem Plot, dessen viele Verästelungen Regisseur Radu Mihaileanu beherzt kappen musste. Leider treten in der aufwendig ausgestatteten, aber inhaltlich entfleischten Version die kolportagehaften Momente stärker hervor. Nicht nur das Verhalten des auseinandergerissenen Liebespaars wirkt nun weniger zwingend, als es die schmelzenden Violinenklänge und das märchenhafte »Es war einmal« des Off-Kommentars suggerieren.

Die eigentlichen Triebkräfte der Geschichte, die Sehnsucht und der unstillbare Schmerz über das untergegangene Paradies in der alten Welt und die Bewältigung dieses schwarzen Lochs durch das Aufschreiben und Erinnern, treten zu oft in den Hintergrund. Das geschäftige Abhaken von Plotpoints wird nur von einer Handvoll Schlüsselmomente – etwa das verblichene Foto eines hinter einem Baum halb verborgenen küssenden Paares oder die Ankunft kriegsverstörter Menschen im Hafen von New York – unterbrochen. Unter den Darstellern entwickelt lediglich Derek Jacobi Konturen, während etwa Gemma Arterton als vergötterte Geliebte und Muse blass bleibt. Fraglich aber, ob es andere hätten besser machen können als Mihaileanu: Epische Romane wie dieser sind womöglich in einer Serie besser aufgehoben – einer Serie, von der man allerdings, um auf dem Quivive zu bleiben, keine einzige Folge verpassen darf.

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