Kritik zu Das Ende ist erst der Anfang

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Bouli Lanners schickt in seiner vierten Regiearbeit, für die er 2016 auf der Berlinale den Preis der Ökumenischen Jury verliehen bekam, zwei Kopfgeldjäger in eine westernhafte Einöde

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Sein Film, erklärt Lanners, »handelt von verlorenen Menschen, gedreht von einem, der an Gott glaubt und dies ausdrücken will«. Das klingt wie eine Drohung. Tatsächlich ist der Schauplatz, ein flacher Landstrich unter tiefen Wolken, dessen Leere von verrotteten Industriebahnhöfen, Tankstellen und Autobahnbrücken unterbrochen wird, eine stilvolle Feelbad-Verheißung. Auch die beiden Kopfgeldjäger mit ihren fiesen Schnauzbärten – Lanners selbst und sein langjähriger Kollege Albert Dupontel –, die in dieser endzeitlichen Ödnis ein gestohlenes Handy orten sollen, tragen zeitlos hässliche Outfits. Auf ihrer bald biblisch anmutenden Odyssee kreuzen sie unter anderen ein Ausreißerpärchen, das davon überzeugt ist, dass das Ende der Welt bevorsteht und deshalb noch etwas Dringendes erledigen will; einen Orchideen züchtenden Pensionswirt, einen Toten und eine Handvoll Schläger. Es ist eine Welt ohne Polizei, aber mit einem Bestatter, und keineswegs von Gott verlassen.

In seiner vierten Regiearbeit drehte das belgische Multitalent Lanners zum ersten Mal außerhalb Walloniens und bleibt dabei seiner Vorliebe für Americana treu. Es gehe ihm um die »Entwicklung des Menschen in der Landschaft«, sagt Lanners, der auch Maler ist. Und er tut einfach so, als ob der Drehort Beauce, eine langweilige Gegend zwischen Paris und dem Meer, eine Westernlandschaft wäre: ein von postapokalyptischer Melancholie geprägter Unort, in dem, untermalt von elegischem Countryblues, verwitterte Männer wie Max von Sydow und Michael Lonsdale aufreizend langsam vor sich hin tapern.

Tarantino, die Dardennes, Kaurismäki: Querkopf Lanners wurde schon mit manchem verglichen, spielt aber seit jeher in seiner eigenen Liga. Als Regisseur und Darsteller stieg er z. B. mit »Aaltra«, »Eldorado« und »Louise Hires a Contract Killer« zum Paten jener eigenwilligen, von trübem Nordlicht gedimmten Off-Beat-Komödien auf, die gelegentlich auch in hiesige Kinos gelangen.

Diesmal baut er seine vertrackte Mischung aus belgischem Surrealismus, Roadmovie und einer Ästhetik des Abgewetzten noch mutiger aus. Der katholische Herz-Jesu-Sozialist beweist nicht nur seine Sympathie für die Habenichtse und geistig Armen und seine Verachtung der Habenden, die ihr Eigentum mit sadistischer Selbstjustiz schützen. Er bringt Jesus selbst als »deus ex machina« in Gestalt eines Obdachlosen ins Spiel. Jesus schickt manchmal – »Ich tue, was ich kann« – Stoßseufzer nach oben, greift aber auch handfest durch.

Dieser himmlische Joker ist das metaphysische i-Tüpfelchen einer ziemlich cleveren Krimihandlung, die sich von der Suche nach dem Handy zur Suche nach Erlösung und zum Plädoyer für Menschlichkeit entwickelt. »Wer sorgt sich um mich? Um wen sorge ich mich?«, wird einmal gefragt. Man ist sich nicht sicher, alles begriffen zu haben in diesem atmosphärischen Tableau. Und diese Ungewissheit würde Lanners wohl als Kompliment auffassen.

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