Kritik zu Louise Hires a Contract Killer

© Kool

Die Fabrik geschlossen, die Jobs weg, was tun mit der Abfindung? Hier ein besonders origineller Vorschlag des belgischen Kinos

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Unter den vielen unglücklich aussehenden Arbeiterinnen fortgeschrittenen Alters in der Fabrik ist Louise ein besonders trauriges Exemplar: Ein Trampel mit Knastgeschichte und unwirschen Manieren, die nicht nur wegen ihrer Größe mit geducktem Kopf herumläuft. Zu melden hat Louise auch bei den Kolleginnen nicht viel. Doch dann ist die Fabrik plötzlich geschlossen, die Bosse haben sich abgesetzt. Die Frauen beschließen, ihre kümmerlichen Abfindungen zusammenzulegen für ein gemeinsames Projekt. Und da ist es ausgerechnet Louise, die zwischen abgeschmackten Plänen zur gastronomischen (Pizzeria) oder darstellerischen (Nackt-Kalender) Selbstständigkeit die einzig zündende Idee hat: Warum nicht einen Profikiller anheuern, um den Ex-Chef ins Jenseits zu befördern? Dumm nur, dass der angeheuerte Ex-Legionär sich bald als Softie herausstellt. Zum Glück hat er eine sterbenskranke Cousine, die sich für den Mordanschlag opfert ...

Dass man in Frankreich traditionell weniger zimperlich mit der Chefetage umgeht als hierzulande, zeigen die Besetzungen und Chefentführungen der letzten Jahre. Auch das französische Kino hat eine lange Tradition, neben der Liebe von Arbeit und Arbeitskämpfen zu erzählen. Doch schon die beiden bisherigen Komödien des Regieduos Benoît Delépine und Gustave Kervern (»Aaltra«, »Avida«) ließen ahnen, das auch ihr dritter Film kein biederes Sozialdrama sein würde. Die Erwartung täuscht nicht: Denn bei allem politischen Anspielungsreichtum ist diese grimmige Komödie vor allem eine lustvoll anarchistische Liebeserklärung an ihre zwei ungelenk kämpferischen Helden. Zwei, denn Louise bildet bald mit Michel ein Paar: Der deutsche Titel (nicht ganz zu Unrecht, doch trotzdem irreführend Kaurismäki assoziierend) führt auch inhaltlich auf eine falsche Spur. Im Original heißt der Film »Louise-Michel« als Hommage an die Anarchistin und 1871er-Kommunardin Louise Michel, die für ihre Aktionen erst in die neukaledonische Verbannung und dann ins Irrenhaus geschickt wurde. Im Film sind daraus Louise (die mal Mann war) und Michel (der mal Frau war) geworden, wobei sich Yolande Moreau und Bouli Lanners (beide fabulös) bei aller Unterschiedlichkeit an physischer Präsenz in nichts nachstehen. Wo Louise tumb durch die Szene schlurft, erweist sich Michel als oft manischer Kommunikator.

Inszeniert ist das in langen Einstellungen, die sehr maßvoll mit Songs akzentuiert werden. Cinephile Spielereien reichen von tatiesken Tiefenstaffelungen bis zu Produzent Mathieu Kassovitz in einer fein hässlichen Nebenrolle als Öko-Touristiker. Richtig liebenswürdig werden auch die beiden Helden bis zum Ende nicht, es sind – man muss das so sagen – ihre Taten, die überzeugen. Und es ist die Treue zur Hässlichkeit seiner Hauptfiguren, die die befreiende Attraktion des Films ausmacht. Auf ästhetische oder spirituelle Erweckung darf man umsonst warten. In dieser Absage an sentimentale Tröstungen erinnert der in der Picardie (»Schtis!«) seinen Ausgang nehmende Film mehr an die belgische Heimat der beiden Hauptdarsteller als an das französische Kino.

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