Kritik zu Black Tea

© Pandora Film Verleih

Der mauretanische Regisseur ­Abderrahmane Sissako erzählt von einer Migration – mal nicht in ­Richtung Westen, sondern ostwärts: Eine junge Afrikanerin entscheidet sich gegen die Hochzeit, emanzipiert sich und emigriert nach China

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Kolonisierung und Migration sind die großen Themen von Abderrahmane Sissako, als weit gereister Mauretanier hat er dafür naturgemäß ein feines Gespür. Sissako gilt als einer der bekanntesten Filmemacher aus dem subsaharischen Afrika, mit »Black Tea« war er im vergangenen Jahr erstmals im Wettbewerb der Berlinale vertreten. 

In »Black Tea« betrachtet er Migrations- und Fluchtbewegungen mal nicht aus ökonomischer oder kriegsbedingter Not, sondern als Motiv der Begegnung und des kulturellen Austauschs, und dazu in gegenläufiger Richtung, mal nicht in den Westen, sondern in den Osten, von Afrika, Elfenbeinküste nach China. Es beginnt mit einer kollektiven Hochzeitszeremonie, in deren Verlauf Aya (Nina Melo) sich allerdings gegen das Heiraten entscheidet, sehr zur Überraschung aller Gäste und des Bräutigams sagt sie auf die Frage »Willst du?« schlicht »Nein«. Nina Melo spielt Aya als stolze, wachsam und selbstbewusst in die Welt schauende Frau, die sich hier entschieden emanzipiert, im Grunde ganz ähnlich wie der Film von den klassischen Erzählungen über Afrika. Aya beschließt, ein neues Leben anzufangen, in China, in der sogenannten Chocolate City, einem Stadtteil der chinesischen Hafenstadt Guangzhou, in der viele afrikanische Einwanderer leben, mehr schlecht als recht geduldet.

Im Grunde seines Herzens ist Sissako ein Träumer, ein Visionär, der an die Kraft der Begegnung und des Austauschs glaubt, die er in seinem Film propagiert. Er blickt hinter die Klischees und Vorurteile, die das Verhältnis von Afrikanern und Chinesen prägen. Entsprechend behutsam, respektvoll und ausgesprochen sinnlich ist diese Annäherung, von Interesse, Neugier und Offenheit geleitet. Statt dabei auf einen rauen, dokumentarischen Realismus zu setzen, entfaltet er seine Geschichte auf verträumte, manchmal fast märchenhafte Weise, selten im Tageslicht, meist im warmen Licht der Nacht. Aya beginnt in einem Teeladen zu arbeiten, wo sie vom chinesischen Besitzer bald in die Kunst der Teezeremonie eingeweiht wird.

Recherchiert hat Sissako mit seiner Drehbuchautorin Kessen Tall in Chocolate City, gedreht werden aber musste in Taiwan. Dabei zelebriert der Film eine Sinnlichkeit, die gelegentlich fast ein bisschen an Wong Kar-Weis »In the Mood for Love« erinnert, mit sehr erotischen Untertönen, die sich ähnlich diskret und zurückhaltend, dafür umso geheimnisvoller entfalten. Wenn der chinesische Besitzer des Ladens Aya in die alten chinesischen Traditionen der Teezeremonie einweiht, ist das nicht nur ein Akt der Völkerverständigung, sondern auch der Verführung, in bedachten Bewegungen und sanften Berührungen, in der Achtsamkeit, mit der Tee abgefüllt und aufgegossen, eine Kanne oder Tasse berührt, dem Gegenüber gereicht, zum Mund geführt wird. Es mag eine Binsenweisheit sein, an die jedoch immer wieder erinnert werden muss, was dieser Film auf unaufdringlich sanfte ­Weise tut: Menschen aus aller Welt verbindet mehr, als sie trennt, ihre Sehnsucht nach Liebe und Glück.

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