Kritik zu Am grünen Rand der Welt

© 20th Century Fox

2015
Original-Titel: 
Far from the Madding Crowd
Filmstart in Deutschland: 
16.07.2015
L: 
118 Min
FSK: 
6

Vier Menschen und die Liebe im viktorianischen Zeitalter. Der dänische Ex-Dogma-Regisseur Tomas Vinterberg, bekannt geworden mit Das Fest, hat aus dem Roman »Far From the Madding Crowd« von Thomas Hardy einen durchaus durchdachten Kostümfilm gedreht

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.666665
3.7 (Stimmen: 3)

Manchmal reibt man sich dann doch die Augen. So viel Landschaft war selten in einem Film in den letzten Jahren. Gelbe Felder, die bis zum Horizont reichen, grüne Wiesen, die sich zu sanften Hügeln formen, Felsklippen, die unvermittelt ins Meer stürzen, ins Unendliche reichende Alleen, in deren Bäumen sich der tosende Wind verfängt. Und so wie der Wind über die Wipfel und Wiesen rauscht, brandet auch die Musik an den Zuschauer heran. Von dem Regisseur Thomas Vinterberg jedenfalls, dem Mitunterzeichner des filmischen Keuschheitsgelübdes Dogma 95, hätte man dieses schwelgerische rurale Pastiche nicht erwartet.

Man kann das kitschig finden, vor allem wir Deutschen, die wir die ich weiß nicht wievielte Rosamunde-Pilcher-Verfilmung ertragen haben. Man kann es aber auch ­logisch finden. Denn dieser Film hat mehr mit dem Land und dem Besitz zu tun, als man denkt, wenn Bathseba Everdene (Carey Mulligan) zu Beginn des Films auf einem Pferd durch die grünen Weiten reitet und auf ihren Nachbarn Gabriel Oak (Matthias Schoenaerts) trifft. Gabriel ist ein Schafzüchter, selbständig, wenn auch verschuldet, und doch wird die verwaiste und mittellose Bathseba seinen Antrag ablehnen. Jenseits aller Vernunft dieser Zeit.

Der zugrundeliegende Roman von Thomas Hardy, »Far From the Madding Crowd« im Original, spielt 1870 in Dorset, im viktorianischen Zeitalter, und schnell kippt das Schicksal bei Hardy. Durch seinen Hütehund, der die Schafe über die Klippen ins Meer treibt, verliert Gabriel seine Herde, und Bathseba erbt urplötzlich von ihrem Onkel ein Gut. Sie geht die Führung dieses Guts, anders als die Oberschicht jener Jahre, selbst an, entlässt den Verwalter und prophezeit ihren Arbeitern, dass sie die Erste und die Letzte auf den Feldern sein wird. Everdeen, so heißt auch die Amazone Katniss in den »Tributen von Panem«, und sicherlich ist Am grünen Rand der Welt eine Geschichte von weiblicher Selbstbehauptung und Selbstermächtigung – besonders dann, wenn Bathseba ihre landwirtschaftlichen Erträge auf einem Markt verkaufen muss, auf dem sie und ihre Bedienstete die einzigen weiblichen Wesen sind. Aber der Film redet auch einem Pragmatismus das Wort, gespeist von einem soldatischen Arbeitsethos. »Das Land ist das Einzige, wofür es sich zu arbeiten lohnt, zu kämpfen und zu sterben«, sagt Scarlett O’Hara in Vom Winde verweht, der ja nicht von ungefähr zur gleichen Zeit spielt.

Zwischen Bathseba und Gabriel sind die Karten neu gemischt. Bei einem Feuer in den Stallungen des Guts treffen sie sich wieder. Aber dem irgendwie erdigen Gabriel, der ein bisschen was vom Wildhüter der Lady Chatterley hat, erwächst ein Konkurrent in dem Nachbarn William Boldwood (Michael Sheen), verschroben, belesen – und reich. Es ist interessant, dass beide in ihren Anträgen auf die Verbesserung von Bathsebas materieller Situation abheben. Gabriel will ihr ein Klavier kaufen, William die beiden Güter zusammenlegen und sie entlasten. Aber Bathseba entscheidet sich gegen die ökonomische Rationalität und für einen ganz anderen. Was sich als Mesalliance und schwerer Fehler erweist. Sie heiratet den Soldaten Sergeant Troy (Tom Sturridge). Der zieht, anders als der freundschaftliche Gabriel und der distanzierte Mr. Boldwood, mit seiner schmucken roten Uniform alle Register der Verführungskunst, mit Komplimenten und einer diskreten Aufdringlichkeit. Mehr als die anderen wirkt er wie eine oft gesehene Figur aus einem Kostümfilm. Einmal beordert er Bathseba in ein einsames Waldstück und führt einen ziemlich gefährlichen Tanz mit dem phallischen Säbel vor ihr auf. Was sie in seinen Bann schlägt, aber auch etwas von einer Defloration hat. Als Trophäe nimmt er eine Locke mit.

Dieser Sergeant Troy ist die flachste Figur des Liebesvierecks, auch wenn Roman und Film ihm eine gewisse Tragik durch seine große Liebe mitgeben. Aber er bleibt ein Blender, der schon bei der Hochzeitsfeier lieber säuft, als das aufgetürmte Getreide vor dem Sturm zu sichern.

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