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Dennis Gansel verfilmt den Michael-Ende-Klassiker mit einem deutschen Starensemble von Henning Baum über Uwe Ochsenknecht bis zu Michael Herbig
Im Jahr 1960 veröffentlichte Michael Ende seinen erfolgreichsten Roman. Die Geschichte erzählt vom unerwarteten Zuwachs in Gestalt eines irrtümlich abgelieferten Migranten (im Film von Solomon Gordon gespielt), durch den auf der territorial limitierten Vierpersoneninsel Lummerland die Überbevölkerung droht. In dieser vermeintlichen Not will der dämliche König die altgediente Dampflokomotive Emma abschaffen. Doch der eigensinnige Lokomotivführer Lukas (Henning Baum) will sich dieser ad hoc verordneten Energiewende nicht beugen. Also nimmt er den Jungen, dem er ein Vater geworden ist, und die Lokomotive, in der man unschwer eine mütterliche Figur erkennen kann, und verlässt die auch geistig etwas zu eng gewordene Insel: Denn wo steht geschrieben, dass eine Lok immer nur in vorgeschriebenen Gleisen fahren muss?
Michael Ende hat diese parabelhafte Geschichte mit einer liebenswürdig-schrulligen Poesie ausgestattet. Ein Highlight ist der Scheinriese Tur Tur, dessen Figur zur häufig aufgegriffenen Metapher für politische Missstände wurde. Die meisten Charaktere, denen Lukas und Jim auf ihrer abenteuerlichen Reise begegnen, sind Außenseiter wie der Halbdrache Nepomuk, der von seinen arroganten Artgenossen gemieden wird, weil seine Mutter ein Nilpferd war, weshalb ihm das giftige Feuerspucken nicht ganz so liegt.
Für die literarische Welt dieser Sprachbilder findet die Adaption von Dennis Gansel und seinen vier Drehbuchautoren kaum eigenständige visuelle Entsprechungen. Das sieht man schon den ersten Bildern an, die eine stilistische Richtung vorgeben. Die Insel Lummerland sieht so aus wie eines dieser zugelackten Spielzeuge, die man als Kind mit zunehmendem Unbehagen ausgepackt hat, weil man nur zu gut wusste, dass man damit nicht glücklich werden würde. Diese steif und blutleer erscheinende Inszenierung wird leider auch von den Akteuren nicht wirklich belebt. So vermag der Fernsehdarsteller Henning Baum, bekannt aus RTL-TV-Movies wie »Götz von Berlichingen«, der Figur des Lukas kaum Resonanz zu verleihen. Der junge Newcomer Solomon Gordon als Jim ist nett und liebenswürdig, aber kein bisschen keck oder frech, trotz seiner Spatzenschleuder.
Szenen in der Wüste, in tiefen Schluchten oder im Palast des traurigen Kaisers von China (Kao Chenmin) zeigen zwar einen gewissen produktionstechnischen Aufwand, man hat aber in dieser merkwürdig künstlich erscheinenden Bildwelt nie wirklich das Gefühl, dass etwas Unerwartetes oder Überraschendes geschieht. Das zeigt als Pars pro toto die Lokomotive Emma, die Schlüsselfigur dieser Geschichte. Auf der Leinwand ist sie weder wirklich dreckig noch wirklich alt – und sie wird leider auch nicht wirklich zum Leben erweckt. So bleibt am Ende ein eher zwiespältiger Eindruck: Obwohl die tricktechnisch ambitioniert erscheinende Umsetzung gewisse Sympathien erweckt, hat man kaum das Gefühl, dass die Bebilderung zu einem eigenständigen Leben erwacht. Schade eigentlich. Michael Ende – das ist deutsche Fantasy at its very best. Diese Verfilmung wird dem Autor aber nicht gerecht.