Kritik zu Supernova

© Weltkino

2020
Original-Titel: 
Supernova
Filmstart in Deutschland: 
14.10.2021
L: 
95 Min
FSK: 
12

Ein leises Drama in erhabener Landschaft: Stanley Tucci und Colin Firth gehen alslangjähriges Paar auf eine letzte gemeinsame Reise

Bewertung: 4
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 1)

»Catch the Wind«. Hügel in sattem Grün ziehen vorüber, im Radio des Wohnmobils laufen Songs, die die beiden Männer an früher erinnern, und Tusker amüsiert Sam mit seinem sprühenden Sarkasmus. Der Roadtrip durch den Lake District beginnt leicht und heiter, wir sehen ein alterndes männliches Paar, das seit Jahrzehnten zusammen ist und es genießt, gemeinsam unterwegs zu sein. Wenige Minuten Filmzeit reichen aus, und man nimmt Colin Firth als Sam und Stanley Tucci als Tusker ihre Geschichte, ihre Beziehung ab, so eingespielt und selbstverständlich wirkt ihr Umgang.

Dass Harry Macqueen, bislang selbst mehr als Schauspieler aktiv, für seinen zweiten Film als Autor und Regisseur diese beiden Stars gewinnen konnte, ist ein enormer Glücksfall. Im wirklichen Leben seit langem schon enge Freunde, bringen sie neben Talent und Erfahrung auch ihre Vertrautheit auf die Leinwand. Doch es dauert nicht lange, da erhält die so mühelos etablierte Idylle tiefe Risse: Sam war nur ein paar Kleinigkeiten in einem ländlichen »Spar« einkaufen, da ist Tusker plötzlich verschwunden – und Sams Sorge weicht schnell einer ausgewachsenen Panik. Er fährt die umliegenden Straßen ab und findet Tusker wie versteinert vor einem Gatter stehen. Eben noch klar und geistreich, hat er offenbar jede Orientierung verloren.

Tuskers Erkrankung an Demenz ist für die Außenwelt noch kaum erkennbar; »Supernova« zeigt seine Symptome nur sehr punktuell, was diesen Episoden eine umso schmerzhaftere Intensität verleiht. Während das Thema den Film mit Melancholie durchtränkt, geht es aber – anders als kürzlich etwa in »The Father« – weniger darum, was die Krankheit unmittelbar mit dem Menschen und seiner Innenwelt anstellt, als um die Auswirkungen einer solchen Diagnose auf eine Liebesbeziehung. Wie lebt man angesichts dieses Abgrunds zusammen? 

So erzählt Macqueen weniger eine Kranken- denn eine Liebesgeschichte. Und er tut dies mit so viel Zurückhaltung, Feingefühl und Klarheit, dass aus dem Roadtrip bald eine Reise in die Seelen der beiden Männer wird. Mit souveräner Beiläufigkeit enthüllt das Drehbuch nach und nach die äußeren Eckdaten: dass Tusker erfolgreicher Schriftsteller ist und aus den USA stammt, Sam ­Pianist, der allerdings das Konzertieren aufgegeben hat, um sich ganz Tusker widmen zu können. Dass ihre Reise ein paar feste Zielpunkte hat, Besuche bei Familie und Freunden, und dass nach langer Zeit auch wieder ein Konzert von Sam auf dem Plan steht – am Ziel ihrer Fahrt.

Indirekt und wunderbar subtil wird am Zusammenspiel der beiden Männer zudem sichtbar, dass eigentlich Tusker immer derjenige war, der Sam Halt gegeben hat, und wie sehr Sam nun damit kämpft, dass er für Tusker immer mehr der Anker in der Welt sein muss, während er doch selbst an Verlustangst fast verzweifelt. In einer der bewegendsten Szenen des Films bittet Tusker bei einer Party seinen Partner, eine kleine Rede vorzutragen, die er für diesen Anlass geschrieben hat, denn er selbst schaffe es nicht. Während Sam Tuskers Worte abliest, lassen die vertauschten Rollen die Ängste beider Männer schärfer hervortreten, obwohl die Rede sehr britisch und humorvoll ist: »Es wird eine Zeit kommen, da werde ich sogar vergessen, wer da eigentlich vergisst, und dann bin ich völlig sorglos.« Wie viel Angst vor dem Kommenden Tusker aber tatsächlich hat, zeigt sich, als Sam eine Entdeckung macht, die »Supernova« im letzten Drittel eine überraschende Dramatik verleiht. 

Macqueen lässt trotz des hochemotionalen Stoffs niemals Sentimentalität aufkommen, erzählt auch von den Konflikten in der Beziehung ohne Weichzeichner. Lediglich in ein oder zwei Momenten trägt »Supernova« vielleicht ein wenig zu demonstrativ spruchförmige Lebensweisheiten vor sich her. Ansonsten erzählt er viel mehr durch Blicke, Gesten und Bilder als durch Dialoge. Die kraftvollen, erhabenen Landschaftspanoramen von Mike Leighs Stammkameramann Dick Pope setzen die Menschen in einen größeren Kontext, spiegeln Bedeutungslosigkeit wie auch Schönheit der menschlichen Existenz. Zudem erzeugen sie eine sehr reizvolle poetische Spannung zwischen der individuellen und der universellen Ebene dieser Geschichte um Liebe und Verlust.

Meinung zum Thema

Kommentare

Der schlechteste Film , den ich jemals gesehen habe. Keine Emotionen und kein Vergleich mit der Erkrankung Demenz.... Ich habe selbst in einer Demenz Wohngruppe gearbeitet. Der Film ist voll am Thema vorbei, nicht zu empfehlen.... Total enttäuscht ☹️

Danke für diese wunderschöne, mich in vielen Facetten tief berührende Erzählung.

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