Kritik zu Die Verführten

© Universal Pictures

In den letzten Jahren hat Sofia Coppola sich im Kino rar gemacht. Jetzt kehrt sie mit einem Stoff zurück, der  fast vergessen war – einer schaurigen Südstaatengeschichte, die Don Siegel in den 70er verfilmt hatte

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Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, wie gut sich Sofia Coppolas »Die Verführten« in ihr Gesamtwerk einreiht. Von »The Virgin Suicides« über »Marie Antoinette« bis zu »The Bling Ring« ging es bei ihr um Frauen in spezifischen Epochen und Milieus, um Repression, Oberflächenreize und Gruppendynamik. All diese Motive finden sich auch in »Die Verführten«, Coppolas Neuverfilmung eines Romans, den Don Siegel 1971 mit Clint Eastwood und Geraldine Page erstmals adaptiert hatte. Die Geschichte spielt im Virginia des Jahres 1864, gegen Ende des Sezessionskriegs. Als ein junges Mädchen im Wald einen schwer verwundeten Soldaten findet, bringt sie ihn in ihr einsam gelegenes Mädchenpensionat. Obwohl Corporal John McBurney (Colin Farrell) auf Seiten der Nordstaatler kämpfte, will die Schulleiterin (Nicole Kidman) ihm bis zu seiner Genesung Unterschlupf gewähren. Sie verarztet seine Wunden und wäscht den Körper des bewusstlosen Mannes. In diesen frühen Szenen gelingt es Sofia Coppola meisterhaft, die aufkeimende erotische Anspannung spürbar zu machen, die in dem Pensionat durch den hilfsbedürftigen Gast ausgelöst wird. Vor allem die Lehrerin Edwina (Kirsten Dunst) und die Teenagerin Alicia (Elle Fanning) fühlen sich sofort zu McBurney hingezogen, die eine von romantischen Fluchtfantasien geleitet, die andere von pubertärer Erfahrungslust getrieben. Während Dunst und Fanning ihre Charaktere mit großer Subtilität zwischen Sehnsucht, Berechnung und Laszivität changieren lassen, gibt Nicole Kidman ihre Schulleiterin als eine ihrer typischen Eisköniginnen – nach einem kurzen Aufblitzen von Wollust wahrt sie stets die Contenance.

Von diesem eigentümlichen Kontrast aus nuancenreicher Sinnlichkeit und kühler Kontrolle ist der gesamte Film geprägt. Durch die exquisiten Bilder und die dichte Tongestaltung entsteht eine Atmosphäre zwischen magischem Realismus und Southern Gothic. Kameramann Philippe Le Sourd drehte auf Filmmaterial und mit historischen Objektiven, was den Bildern eine leicht porös wirkende Textur verleiht; Sounddesigner Richard Beggs setzt fernen Kanonendonner und das Zirpen von Zikaden wie einen experimentellen Score ein, mal wirken die Geräusche märchenhaft-überweltlich, mal unheilvoll. Diese Sinnlichkeit findet aber keine Entsprechung in Coppolas Inszenierung der menschlichen Konflikte. Die erotische Spannung, die Intrigenspiele und der Furor der Vorlage weichen bei ihr dem Bemühen um Ausgewogenheit zwischen McBurneys Verhalten und dem der Frauen. Im Gegensatz zu Eastwood im Original ist Farrells Soldat kein manipulativer Lüstling, kein Fuchs im Hühnerstall, sondern ein sensibler Posterboy mit Dackelblick, der sich vor einer Rückkehr aufs Schlachtfeld fürchtet. Umgekehrt träumen die jungen Frauen vom Ausbruch aus beengenden Konventionen. Der delirierende sexuelle Taumel, der Siegels Version ihre Faszinationskraft verlieh, weicht hier romantischer Schwärmerei. Coppola will aus einer Pulp-Geschichte Qualitätskino machen, aber so virtuos sie in vieler Hinsicht auch ist, nimmt sie mit ihrer Nüchternheit, ihrem Zurückweichen vor den Abgründen der Geschichte, den Konflikten die Dringlichkeit und dem Drama die Wucht.

In einem Interview sagte Coppola, sie habe anders als Siegels Verfilmung die (Roman-)Perspektive der Frauen einnehmen wollen. Der von manchen Kritikern beschworene »Feminismus« stellt sich dadurch allerdings nicht ein. Tatsächlich wirkt Coppolas Blick eher wie ein Männertraum, denn bei ihr ist McBurney der Verführte, das nahezu unschuldige Opfer weiblicher Projektionen. Am Ende wird er als lästiges Problem von den Frauen mit unmenschlicher Kälte entsorgt. Feministisch könnte man aus heutiger Perspektive eher die Originalverfilmung nennen: Ein filmischer Fiebertraum über Lust und Hass, eine weibliche Rachefantasie, die die Faszination des Machismo nicht verleugnet. Oder anders gesagt: Siegel hat einen Film für Frauen und Männer gemacht, Coppola einen für Mädchen.

Meinung zum Thema

Kommentare

Verschwendete Zeit

Wirkt nicht authentisch da der Mann einfach getötet und somit entsorgt wird weil es nicht passt! Obwohl er es allen recht machen wollte.
Selbst für Feministinnen harter Tobag.

Wer das Original von Don Siegel (1971) mit Clint Eastwood kennt, verplempert mit Coppolas Neuverfilmung seine Zeit. Das Remake kommt wie ein langweiliger Teenie-Film daher. Schleierhaft bleibt, warum Sofia Coppola diese schon mal perfekt verfilmte, gruselige Südstaatengeschichte neu inszenierte. Ausserdem ist Colin Farrell der untalentierteste Schauspieler aller Zeiten.

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