Kritik zu B-Movie

© Interzone Pictures

2014
Original-Titel: 
B-Movie
Filmstart in Deutschland: 
21.05.2015
L: 
92 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Die achtziger Jahre in West Berlin – kein Film hat den typischen Sound dieser Zeit so authentisch festgehalten wie dieser Film. Und humorvoll ist er auch

Bewertung: 5
Leserbewertung
3.666665
3.7 (Stimmen: 3)

Wenn man den wirklich dämlichen Titel einmal überwunden hat und im Kino sitzt, hofft man, dass der Film niemals zu Ende geht. Er erzählt die Geschichte des englischen Musikers, Labelmachers und Uniformfetischisten Mark Reeder, der Ende der 70er Jahre nach Berlin zog, um seinen Lieblingsbands und -musikern, Tangerine Dream, Ash Ra Temple und Klaus Schulze, nahe zu sein. Doch die waren in der Szene zu der Zeit überhaupt nicht cool. Hier hatte der englische Punk seine ersten Spuren hinterlassen, der auf das inflationäre Hochgefühl der Hippies gefolgt war. Dilettantismus war die neue Kunst, intelligente Subversion der Formen und eine aggressive Tanzbarkeit der Musik. So traf Reeder als Repräsentant des englischen Factory-Labels, das auch Joy Division unter Vertrag hatte, auf den geisterhaft dürren Blixa Bargeld und seinen australischen Freund Nick Cave, auf Gudrun Gut und die Tödliche Doris, auf Bands also, die den Berliner Underground prägten, bevor er Neue Deutsche Welle hieß.

Es ist erstaunlich, wie die Regisseure ihr Material bearbeitet haben. Sie haben unzählige mehr oder minder amateurhafte Filme aus der Zeit gesammelt, darunter auch Werke von Wieland Speck, der heute das Panorama bei der Berlinale leitet, und haben diese collagiert. Dazu haben sie Mark Reeder durch die Stadt gescheucht, als Darsteller seines jüngeren Selbst, und so die Illusion eines autobiografischen Filmessays geschaffen, das den Anschein ganz privater Beteiligung aufrechterhält. Das Material selbst ist technisch oft grauenhaft, aber immer authentisch, man sieht, wie Nick Cave in seinem kleinen Zimmer in einem besetzten Haus gotische Bilder in barocken Rahmen sammelt oder wie Blixa und N. U. Unruh sich die Einstürzenden Neubauten ertrommeln, auf Mörtelkübeln und einer ausgedienten E-Gitarre. Hochperkussive Musik zu kryptisch aggressiven Texten, dumpfer Gleichklang gegen den hochgerüsteten Mainstream der 70er, der inzwischen in den Stadien angekommen war. Die ganze Kraft dieser Szene steckt in dem Film, und man glaubt ihm ­jedes Wort.

Selbst wenn der Film den alten Hippie-Satz »Wer sich an die 60er erinnert, war nicht wirklich dabei«, auf die 80er ummünzt: Jeder, der in dieser Zeit mal im »Dschungel« war oder im »SO36«, weiß, dass hier eine Stimmung eingefangen wird, die bislang kaum dokumentiert wurde. Es gibt mehrere Stellen, an denen sich B-Movie mit Oskar Roehlers jüngstem Film Tod den Hippies!! Es lebe der Punk! kreuzt. Die absichtsvoll ins Absurde getriebene Phantasmagorie Roehlers wird in B-Movie quasi geerdet, nicht zuletzt wenn der Film in derselben Kneipe landet: in eben jenem »Risiko«, in dem Blixa Bargeld ab 23 Uhr Wodka in Wassergläsern ausschenkte und als Höhepunkt mit den Neubauten auftrat. In dieser Bar, die in beiden Filmen haargenau gleich aussieht, kommen Fiktion und Wirklichkeit zusammen. Überhaupt ist B-Movie all denen zu empfehlen, die an dem schlechten Image der 80er festhalten wollen. In dieser Zeit, als Berlin noch eine Insel war, gab es tatsächlich einmal deutschen Underground.

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