Sommerberlinale [5]

»French Exit« (2021). © Lou Scamble / Courtesy of Sony Pictures Classics

Eigentlich wollte ich heute von meinem ersten (und vermutlich einzigen) Besuch der Sonmmerberlinale berichten, aber die Vorführung von »French Exit« am Samstagabend fiel aus. Der leichte Wind war offensichtlich zu viel für die Leinwand vor dem Schloss Charlottenburg. »Es ist zu windig« lasen diejenigen Kartenbesetzer dort, die gekommen waren, weil sie nicht vorab in ihrem Spam-Ordner die 35 Minuten vor Beginn verschickte mail gesehen hatten. Dass es nur ein leichter Wind war, der da wehte, wirft für mich die Frage auf, wie gut die dort gewählte Leinwandkonstruktion ist, schließlich verkündet die Berlinale auf ihrer Website »Die Vorführungen finden bei jedem Wetter statt«, schränkt aber im übernächsten Satz ein: »Zum Ausfall/Abbruch einer Veranstaltung führen nur sicherheits- bzw. technikrelevante Gründe.« Über die Antwort des Festivals auf meine diesbezügliche Anfrage hoffentlich beim nächsten Mal hier etwas. Ärgerlich dürfte es auf jeden Fall für alle Filmbegeisterten gewesen sein, die ein Ticket hatten, denn für die zweite Vorführung am gestrigen Sonntag gab es, als ich Samstag nach der Rückkehr vom Kino die website checkte, wie erwartet, keine Karten mehr. 

»French Exit« ist der mittlerweile sechste abendfüllende Spielfilm des US-Indie-Filmemachers Azazel Jacobs, dessen Name hierzulande vermutlich nur denjenigen etwas sagen dürfte, die seinen vorangegangenen Film »The Lovers« gesehen haben (er kam als DVD-Premiere heraus) oder aber die regelmäßige Besucher der Viennale sind, wo seine Filme kontinuierlich zu sehen waren. Gerade nach »The Lovers« habe ich mich anfangs mit »French Exit« schwergetan, denn Michelle Pfeiffer spielt hier eine reiche Witwe aus Manhattan, die sich, als sie erfährt, dass sie pleite ist, mit ihrem Sohn nach Paris absetzt – wo in der Wohnung einer Freundin sich nach und nach eine Handvoll merkwürdiger Gestalten versammelt, nicht zuletzt der Geist ihres toten Mannes, der in ihrer Katze weiterzuleben scheint. Diese Francis ist wirklich keine sympathische Figur, das manirierte Spiel von Pfeiffer sorgt für zusätzliche Distanz. Aber im Verlauf der Handlung merkt man, wie das zusammenpasst, spätestens wenn Francis es einem arroganten französischen Kellner heimzahlt, hat sie (ein Stück weit) die Herzen der Zuschauer gewonnen. Zu Azazel Jacobs (übrigens der Sohn des Experimentalfilmers Ken Jacobs) der sich im Interviewe als charmanter Gesprächspartner erwies, mehr, wenn sein Film hierzulande zu sehen sein wird, hoffentlich im Kino, was Sony, bei denen die Rechte liegen, vermutlich aufgrund der Einspielergebnisse in anderen Märkten entscheiden wird.

Erfreulicherweise bereits einen Kinostart (am 29.7.) hat der britische Film »Censor«, über den ich im April-Heft geschrieben hatte: eine durchaus nostalgische Erinnerung an die Video Nasties der achtziger Jahre, verknüpft mit einem Familientrauma.

Auf andere Weise beeindruckend der Dokumentarfilm »A pas aveugles« von Christophe Cognet, der nachspürt, wie es Häftlingen gelang, in den Konzentrationslagern heimlich Fotos von ihrem Alltag zu machen. In die Zeit des Faschismus führt auch der ungarische »Natural Light« von Dénes Nagy zurück. Anno 1943 gerät ein Unteroffizier der faschistischen ungarischen Truppen in einen moralischen Zwiespalt, als von ihm Härte verlangt wird, was den Umgang mit den Bewohnern des von seinem Trupp besetzten Dorfes und vermeintlichen Partisanen betrifft. Ein so ruhiger wie eindringlicher Debütfilm.

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