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Gerhard Midding

Als ich Anfang November letzten Jahres die Pressemitteilung vom DOK Leizig las, dachte ich: Mensch, das muss aber eine ausnehmend cinéphile Jury gewesen sein! Sie hatte eine erstaunliche Wahl getroffen, in dem sie „Le cinquiéme plan de 'La Jetée'“ /“La Jetée, the fifth shot“ mit dem Hauptpreis auszeichnete, Dominique Cabreras eigentümliche Annäherung an Chris. Markers berühmten Foto-Film von 1962. Gewiss liefen im Wettbewerb lauter Arbeiten, die sich mit drängenderen zeitgeschichtlichen Fragen auseinandersetzen.

Gerhard Midding

Zvi Malkin konnte den Gedanken nicht ertragen, seinen Gefangenen zu berühren. Dabei war er daran gewohnt, mit seinen Gegner auf Tuchfühlung zu gehen. Mit zwölf war er der Haganah beigetreten, später bildete ihn der Mossad zum Spezialisten für Sabotage Sprengstoff, aber auch im Nahkampf aus. Aber den Mann, den er nun bewachte, konnte er nicht anfassen.

Gerhard Midding

In diesen Tagen - besonders heute, da „Mond“ von Kurdwin Ayub anläuft - darf man den Eindruck gewinnen, dass junge Heldinnen gerade hartleibiger werden. Florentina Hotzinger verkörpertdarin eine MMA-Meisterin, die es von Wien nach Jordanien verschlägt. Auch der brandneue Roman von Helene Hegemann kreist um eine junge Kampfsportlerin, die kräftig einsteckt und austeilt. Ist der Titel „Striker“ schon Programm? Oder handelt es sich um eine zufällige Parallele?

Gerhard Midding

Es hilft vielleicht, Europäer zu sein, um beim Western zuerst an die Himmelsrichtung zu denken. Das ist der Ort, sagte Damiano Damiani einmal, wo die Sonne untergeht. Das Schlusspanel jedes Lucky-Luke-Albums erinnert zuverlässig daran.Der italienische Regisseur hatte aber wohl ein existenzialistische Ortsbestimmung im Sinn: Der Weg dorthin führt ins Dunkel.

Gerhard Midding

Émilie Dequennes Karriere fing rastlos und mit Schmerzen an: dem Bauchweh, das Rosetta mit dem warmen Luftstrahl ihres Haartrockners zu betäuben versucht. Wortlos legt sie sich auf ihr schmales Bett und wartet selbstverloren ab, bis es allmählich nachlässt. Der Film weiht uns nicht ein, woher die Schmerzen kommen – es könnten ihre Regelblutungen sein –; er ist verschlossen, setzt nur auf die Evidenz der Situationen. Aber er lässt erahnen, dass in Rosettas Welt sonst kein Platz ist für Wärme. Ihr Leben ist ein unaufhörlicher Krieg.

Gerhard Midding

Es lässt sich nicht genau sagen, welchem Genre »Possession« von Andrzej Zulawski angehört, der nun als Wiederaufführung anläuft. Im Kern verhandelt er eine Ehekrise, schwenkt bald massiv zum Horrorfilm hinüber, mündet in ein Gangsterfilmfinale (das aber eher dem Liebestod aus »Duell in der Sonne« ähnelt), um schließlich mit apokalyptischem Raunen einen Neuanfang anzustimmen. Ein Doppelgängerfilm ist er nebenbei auch und hört währenddessen nie auf, ein bizarrer Mauerstadtfilm zu sein. 

Gerhard Midding

"Man könnte glauben, dass Ravel ein fantastischer Filmmusiker wäre", sagte Philippe Sarde einmal, "nur - er hatte keine Filme, für die er Musik hätte schreiben können." Seine Musik sei sehr visuell, fand der Filmkomponist, aber seltsamerweise sei es schwer, sie Bildern zu unterlegen, denn sie enthalte selbst schon alle Bilder.

Gerhard Midding

In Jean-Claude Grumbergs Jugendmärchen »Das kostbarste aller Güter«, dessen Verfilmung seit gestern in unseren Kinos läuft, findet eine merkwürdige Verdinglichung statt. Das Merkwürdigste an ihr ist, wie sehr sie zu Herzen geht.

Gerhard Midding

Vor langer Zeit veranstalteten einige Kollegen und ich alljährlich eine Oscar-Wette. Wir gingen mit einigem Ehrgeiz daran. Allerdings geschah es oft genug, dass ein Freund die höchste Trefferquote erzielte, der keinen einzigen der Kandidaten gesehen hatte. Eventuell lässt sich daraus ja eine Lehre für die Gegenwart ziehen. Ich komme darauf zurück. Aber erst möchte ich Ihnen eine Statistik vorstellen, die ganz bestimmt nicht hilft, die Ergebnisse der kommenden Nacht vorherzusagen.

Gerhard Midding

Die Freundschaft zwischen Regisseuren fasziniert mich immer wieder. Ihr Andauern gibt Rätsel auf. Immerhin könnte sie durch Eitelkeit oder die Konkurrenz, in der sie stehen, verhindert werden. Im Gegenzug mag sie eine ähnliche, womöglich gar deckungsgleiche Auffassung vom Kino verbinden. Es nimmt nicht wunder, dass Andres Veiel und Andreas Dresen eine persönliche und eine Filmfreundschaft verbindet?