Kritik zu Loyal Friend
Scott McGehee und David Siegel adaptieren den bekanntesten Roman von Sigrid Nunez und lassen es nicht zu, dass es ein schmalzig-süßlicher Film darüber wird, wie ein Hund und eine Frau sich miteinander anfreunden
Seit 30 Jahren veröffentlicht die US-amerikanische Schriftstellerin Sigrid Nunez Romane, aber erst die letzten Jahre brachten ihr den großen Erfolg. Und jetzt scheint auch die Filmbranche auf ihr Werk aufmerksam geworden zu sein. Das allerdings mit umso mehr Nachdruck. Nachdem im vergangenen Jahr »The Room Next Door«, Pedro Almodóvars Adaption ihres Buchs »Was fehlt dir«, in Venedig den Goldenen Löwen gewann, folgt nun die Adaption von »Der Freund«, ihrem bestverkauften und mit dem National Book Award ausgezeichneten Roman.
Während Almodóvars Film mit einem Tod endete, steht in »Loyal Friend«, inszeniert vom Regieduo Scott McGehee und David Siegel, einer am Anfang. Auch hier ist es ein selbst gewähltes Ausscheiden aus dem Leben: Der Literaturprofessor Walter Meredith (Bill Murray), ein typischer New-York-Intellektueller, wie man ihn im Kino nicht zum ersten Mal sieht, begeht Suizid. Er hinterlässt drei unterschiedlich trauernde (Ex-)Ehefrauen (Carla Gugino, Constance Wu und Noma Dumezweni), seine uneheliche, längst erwachsene Tochter Val (Sarah Pidgeon) sowie Apollo, eine riesige Dänische Dogge, die er ein paar Jahre zuvor adoptiert hatte.
Um Apollo kümmern soll sich Walters älteste und beste Freundin Iris (Naomi Watts), die schon zu seinen Lebzeiten damit begonnen hat, an der Veröffentlichung der Korrespondenz ihres Mentors zu arbeiten und überhaupt von seinem Tod schwerer getroffen ist als irgendwer sonst. Eigentlich hält nicht nur sie selbst sich für die denkbar schlechteste Wahl für diese Aufgabe: Haustiere sind in ihrem Apartmentgebäude nicht erlaubt, die Nachbarin (Ann Dowd) ist allergisch und nicht zuletzt geht ihr der ponygroße Vierbeiner beinahe bis zur Brust. Doch genau wie sie hat auch Apollo seinen Lebensanker verloren, und irgendwann entsteht zwischen den beiden – er auf dem Bett, sie auf die Couch verdrängt – eine unerwartete Nähe.
Geschichten über Begegnungen mit Tieren, die das Leben eines Menschen nachhaltig verändern und im Idealfall auch die eine oder andere Lektion bereithalten, erzählt das Kino gern mal. Gerade erst erwies sich »Der Pinguin meines Lebens« als unerwarteter Publikumserfolg, und auch Naomi Watts hat mit solchen Narrativen (»Beflügelt – Ein Vogel namens Penguin Bloom«) schon Erfahrungen gemacht. Doch während solche Filme nicht selten einen Drall in Richtung Kitsch entwickeln, weiß »The Friend« das, vielleicht auch dank der massiven, wenig possierlichen Präsenz der durchaus Respekt einflößenden Dogge recht gut zu vermeiden.
Das Milieu, in dem Nunez' Geschichte angesiedelt ist, scheint allzu vertraut, doch fast ist es so, als würden sich das Genre des Tierfilms und das des Oberschichten-Akademiker*innen-Films hier gegenseitig ein wenig unterwandern. Nie wird es zu niedlich, aber auch nie zu intellektuell-verquatscht. Ohne Frage, der Tonfall hätte vielleicht an einigen Stellen schärfer sein dürfen. Und verglichen mit den Themen, die in »The Room Next Door« verhandelt wurden, zielen McGehee und Siegel in ihrer Adaption eher auf zynismusfreie Leichtfüßigkeit.
Trotzdem machen die beiden, die sich mit »What Maisie Knew« auch schon an Henry James versucht haben, hier praktisch alles richtig. Das liegt zum einen an Watts und dem mit viel Leinwandpräsenz gesegneten Hund. Aber zum anderen auch daran, dass sie erkannt haben, wie viele verschiedene Filme in der Romanvorlage stecken. Denn am Ende sehen wir hier eine Charakterstudie genauso wie eine glaubhaft wirkende Geschichte über Hundeliebe, eine ehrlich berührende Auseinandersetzung mit dem Thema Trauer ebenso wie mit dem Schriftsteller*innen-Dasein. Aber nicht zuletzt ist »The Friend« eben auch – und das sieht und liest man viel zu selten – die Darstellung einer tief empfundenen, ungemein engen Beziehung zwischen einer Frau und einem (größtenteils abwesenden) Mann, die in allererster Linie eine platonische Freundschaft ist.
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