Kritik zu Yesterday

© Universal Pictures

Hi-Hi-Hilfe – die Beatles hat es nie gegeben! Danny Boyles pfiffiges Gedankenexperiment feiert die unvergessliche Musik der Fab Four

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Die Prämisse hätte auch für eine »Twilight Zone«-Episode getaugt oder, zeitgemäßer, für einen Blick in den »Black Mirror«: Ein fantastisches, unerklärliches Ereignis katapultiert einen Menschen aus seiner gewohnten Welt in ein Paralleluniversum, in dem die Historie einen anderen Verlauf genommen hat. Und der Protagonist ist der Einzige, der sich an die alte Realität erinnert – mit allen beneidens- und bemitleidenswerten Konsequenzen. Auch an die Romane von Thomas Harris oder Philip K. Dick könnte man denken, doch mit deren abgründigen Alternativszenarien haben die Schöpfer von Yesterday nun wirklich nichts im Sinn. Sie setzen auf die komödiantische Komponente und konstruieren stattdessen ein federleichtes Was-wäre-wenn-Popmärchen.

Was also, wenn es die Beatles nie gegeben hätte? Wenn keiner sich an die Hits der Fab Four erinnern könnte – außer einem unbekannten Singer/Songwriter, der seine Kompositionen grundsätzlich vor leeren Rängen zum Besten gibt? Daraus müssten sich doch zahllose kuriose, witzige, bewegende und mitreißende (Musik-)Momente kreieren lassen. Und auf genau die haben es Regisseur Danny Boyle (»Trainspotting«, »Slumdog Millionaire«) und Drehbuchautor Richard Curtis (»Vier Hochzeiten und ein Todesfall«, »Notting Hill«) abgesehen: auf den Clash von Welthits und Erfolglosigkeit, von Vertrautheit und Ignoranz, von Sixties-Rock und digitaler Ära.

Bei einem 12-sekündigen weltweiten Stromausfall, dessen Umstände der Film zurecht nicht weiter thematisiert, wird Jack Malik (Himesh Patel) von einem Bus angefahren. Danach vermisst der sympathische Loser zwar zwei Schneidezähne, besitzt aber als (beinah) einziger Mensch die Erinnerung an die vielleicht wichtigste Band aller Zeiten. Und als er beim Klimpern von »Yesterday« merkt, dass seine Freunde den Song noch nie gehört haben, und die Google-Recherche bei den Stichworten »Beatles« und »John & Paul« nur Käfer und Päpste anzeigt, wittert er die Chance, mit den alten Hits vielleicht doch noch groß rauszukommen.

Sehr sorgfältig dekliniert »Yesterday« die Umsetzung dieses Plans durch – vom tastenden, irgendwie inadäquaten »Let It Be« auf dem elterlichen Piano über die ersten Achtungserfolge bei lokalen Auftritten bis zum Ritterschlag durch Ed Sheeran, der sich hier sanft und selbstironisch selbst spielt, sich den Neuling ins Vorprogramm holt und bald anerkennen muss, nur der Salieri neben Jacks Mozart zu sein. Schon ruft das Business in Form der zynischen Managerin Debra (Kate McKinnon) – und mit ihr die ersten moralischen Herausforderungen. Nebenbei nimmt der Film da die Mechanismen der zeitgenössischen Musikindustrie aufs Korn, bleibt im Grunde aber stets bei der Frage, wohin geklauter Ruhm und unverdiente Ehren den Helden am Ende eigentlich führen sollen. Wenn er im heimischen Suffolk dann eine unerwartet drängende Version von »Help« spielt, bekommt der Song folgerichtig ganz neue Bedeutung.

Boyle und Curtis hätten sich noch mehr auf das Musikthema fokussieren und, beispielsweise, ergründen können, wie sich das Fehlen der Beatles tatsächlich auf unsere Popkultur ausgewirkt hätte. Der Gag, dass auch Oasis aus den Annalen verschwunden sind, geht in die richtige Richtung, aber irgendwie nicht weit genug. In der zweiten Hälfte liegt der Schwerpunkt mehr auf einer Love Story, die stark an Curtis' romantische Komödien erinnert. Jack wird da quasi zum tapsigen Hugh Grant, der einfach keinen Weg zu seiner lebenslangen besten Freundin und Managerin Ellie (Lily James) findet, obwohl deren Zuneigung doch vom ersten Moment an offensichtlich ist. Immerhin ringen Newcomer Patel und die immer grandiose James dem Standardplot einige gefühlvolle und intensive Momente ab. Und am Ende, wenn Sheeran (im Three-Lions-Trikot) und Jack das vollbesetzte Wembley-Stadion rocken, erinnert uns Yesterday noch einmal mit Witz und Esprit an die großen Errungenschaften der Britishness, die bald in Vergessenheit geraten könnten.

Meinung zum Thema

Kommentare

Liebe Redaktion,

da gibt es mal endlich wieder eine wirklich witzige Idee, auf die man erstmal kommen muss, und da weiß der Kritiker natürlich sofort wieder, wie man es hätte besser machen können: Ein ganz toller, unterhaltsamer Film, aus dem alle mit etwas besserer Laune rausgehen... oh Mann, einfach mal etwas gut finden und dann auch noch den letzten Stern geben. Toller Film.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Rinke

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