Kritik zu WWW: What a Wonderful World

- kein Trailer -

Ein Film noir aus Marokko

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Natürlich hat der Film eine Geschichte, aber sie behauptet erst gar nicht, zwingend zu sein. Die vier Protagonisten aus »WWW: What A Wonderful World« werden nicht durch eine ausgeklügelte Dramaturgie des Zufalls in Verbindung gebracht, wie es seit Robert Altmans »Short Cuts« leider auch unter Filmemachern üblich geworden ist, die nichts von Altmans erfinderischer Präzision verstanden haben.

Der marokkanische Regisseur Faouzi Bensaïdi widersetzt sich dem Diktat der gängigen Bastelarbeiten mit Lust und visuellen Launen. Der Auftragskiller Kamel, die Polizistin Kenza, die Gelegenheitsprostituierte Souad, die zugleich Kenzas Freundin ist, und der junge Hacker Hicham begegnen sich nach den Regeln des Film noir, um eine unmögliche Liebesgeschichte zwischen Kamel und Kenza sowie eine ordentliche Portion Vergeblichkeit zu produzieren. Dazu gehört auch die Stadt, in der Bensaïdi nach den Mythen der Film- und Literaturgeschichte sucht. Casablanca, von ihren Bewohnern mal zärtlich, mal kühl Kaza genannt, bietet sich als Ausgangspunkt dramatischer Verstrickungen an. Das berühmte Bogart-Motiv, in der Stadt festzusitzen und auf die Chance zum Auswandern zu warten, klingt in der Geschichte des begabten, aber aussichtslosen Hackers an. Nur dass Hicham in einer Umkehrung der Fluchtbewegungen des Zweiten Weltkriegs viel Geld dafür bezahlt, nach Europa eingeschleust zu werden.

Das Spiel mit dem gestischen und mimischen Repertoire des Film noir gelingt dem Regisseur, der selbst den einsamen Killer spielt, ganz wunderbar. Bisweilen bleicht Bensaïdi die Welt aus und versetzt die Stadt in Schwermut. Doch jenseits der Huldigung ans Schwarz-Weiße und an die Musik, die Stimmung oder Suspense so deutlich betont, dass sie schon wieder ironisch wirkt, leistet sich der Film originelle Abweichungen. Bogarts »Casablanca« existiert als Zitat in verschlafenen Ecken, doch fünf Millionen Einwohner sprengen den Kult-Film von einst. Sie drängen sich in Elendsvierteln, in überfüllten Bussen oder schicken Einkaufspassagen. Internetcafés und Szenekneipen flackern im Neonlicht, protzige Glasfassaden ziehen Menschen an, für die Casablanca nichts mit dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft gemein hat. Ihre eigenen Überlebensstrategien haben den Charme des Absurden. Doch letztlich ist mit der Moderne nicht zu spaßen. Am Ende gehört Marokko den Schleppern und Menschenverächtern. Der melancholische Auftragskiller, er ruhe sanft im Kino.

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