Kritik zu Willkommen um zu bleiben

© Neue Visionen Filmverleih

Die norwegische Regisseurin Tallulah H. Schwab fragt mit fantasievoller ­Ausstattung und skurrilen Figuren danach, was eigentlich Realität ist

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»Willkommen um zu bleiben« ist ein Assoziationsmagnet. Tallulah H. Schwabs Film heißt im Original »Mr. K«. Die Norwegerin (Buch und Regie) dockt damit bewusst an das Werk des Autors Franz Kafka an. Die Geschichte des Magiers Mr. K, der sich für eine Nacht in einem Hotel einmietet, zwingt dem Publikum gleichsam eine der berühmtesten Zeilen der Popmusik zurück ins Bewusstsein: »You can check out any time you like, but you can never leave.« Mr. K (Crispin Glover) steigt in der norwegisch-belgisch-niederländischen Kinoproduktion nun nicht im »Hotel California« ab, das die Eagles 1976 besungen haben, sondern in einem geografisch anonymen Haus. Es könnte überall stehen, denn seine Architekten sind die Fantasie und der Traum.

Schwab ist fasziniert von der »Fluidität der Wirklichkeit«, wie sie sagt, und wollte die Frage nach dem Wesen der Realität in Bilder und Töne übersetzen. Glover als Mr. K will aus einem Universum entkommen, in dem die Wände ein feuchtes Eigenleben entwickeln, Rohre ächzen, immer wieder Figuren, jung und alt, überraschend um die Ecke kommen und eine Blaskapelle lautstark musizierend durch die Gänge marschiert. Nach 15 Minuten des Films bereits fällt der überforderte Zauberer in eine kurzzeitige Ohnmacht. Als er aufwacht, fragen ihn die beiden alten Damen Ruth (Fionnula Flanagan) und Sara (Dearbhla Molloy): »Are you afraid of death?« Glover begegnet den Herausforderungen des Ortes anfangs mit der Stone-Face-Mimik eines Buster Keaton. Aber natürlich entstehen Risse im Gestein, als Mr. K sich als Teil der Hotelküchenmannschaft rekrutiert sieht, als Lustobjekt der Chefkochtochter Melinda (Esmée van Kampen) und als potenzieller »Befreier« der skurrilen Hotelgesellschaft. »Ich bin niemand«, wehrt er eine erlöserhafte Rolle ab. 

Kameramann Frank Griebe führt bildmächtig durch die traum-alptraumhafte Ausstattungswelt von Maarten Piersma und Manolito Glas; die beiden kennen Inspirationsquellen wie Wes Andersons »Grand Budapest Hotel« und Ridley Scotts »Alien«. In den Rahmen fügt sich Sunnyi Melles als hedonistische selbst ernannte Künstlerin Gaga (der Name passt) bestens ein. Jan Gunnar Røise als Küchenhelfer Anton bringt menschliche Wärme ins absurde Spiel ein. Bjørn Sundquist verkörpert den schwermütigen Chefkoch, der wortreich über das Ei an sich zu philosophieren versteht, Barbara Sarafian, besetzt als Mrs. Hum, wortkarg und streng die Rezeption. Die Tatsache, dass ihr Hotel im Wortsinn schrumpft, bringt sie nicht sichtbar aus der Fassung.

Die Momentaufnahmen fügen sich nicht zu einem eindeutig lesbaren Bild zusammen – wie auch angesichts der Fluidität der Wirklichkeit. Glover erscheint als Mann, der sich selbst abhandenkommt und den das Leben restlos überfordert. Die Menschen agieren, als seien sie auf einer Insel gestrandet, oder wie Gäste auf einem untergehenden Dampfer. Ein Bild für unsere Welt? Vielleicht. Aber eher schon Ausdruck einer oberflächenreizübervollen Beliebigkeit. Schwab hat den Check-out aus dem Stadium der Selbstverliebtheit verpasst.

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