Kritik zu The Royal Hotel

Zwei Rucksacktouristinnen im australischen Outback: Nach »The Assistant« untersucht Kitty Green das Machtgefälle zwischen den Geschlechtern auf noch mal neue Weise

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In Sydney geht ihnen das Geld aus; eben noch war inmitten wummernder Bässe auf dem Discoschiff – knutschend, saufend, tanzend – alles bestens, da streikt die Kreditkarte und die Party ist vorbei. Nun gilt es, die Kasse wieder aufzufüllen, »Work and Travel« ist angesagt. Also nehmen Hanna und Liv, Rucksacktouristinnen aus Kanada, einen Job im australischen Outback an. Am buchstäblichen Arsch der Welt und im titelgebenden »Royal Hotel«, das schon sehr, sehr lange überhaupt nichts Königliches mehr an sich hat. Dort sollen sie hinter der Bar für den nie versiegenden Fluss des Alkohols in Richtung der davor Stehenden sorgen. Bei denen es sich, wenig verwunderlich, überwiegend um Männer handelt, deren Umgangsformen rau sind.

Schon werden Erinnerungen wach an unangenehme australische Filme, die im Outback angesiedelt sind und in denen depravierte Einzelgänger oder enthemmte Haufen machen, was sie wollen, weil eh keiner da ist, der ihnen Einhalt gebieten könnte. Filme wie »Wake in Fright« (Ted Kotcheff, 1971) und »Wolf Creek« (Greg McLean, 2005) beispielsweise; mittlerweile Klassiker eines Kinos der Beunruhigung, das die Grenze zwischen zivilisiertem Benehmen und völliger Verrohung als allzu leicht reißende hauchdünne Membran zeigt.

Hier nun reiht sich die in Melbourne geborene Drehbuchautorin und Regisseurin Kitty Green mit »The Royal Hotel« ein, der auf dem Dokumentarfilm »Hotel Coolgardie« (Pete Gleeson, 2016) und damit auf tatsächlichen Ereignissen beruht. Zuletzt hat Green mit »The Assistant« (2019) einen Schlüsselfilm zum Weinstein-Skandal vorgelegt. Auch im aktuellen Werk besteht die gar nicht so hintergründige Gefahr in der Grenzverletzung, in Vertrauensverrat und Machtmissbrauch, im sexuellen Übergriff und in der Vergewaltigung.

Wo aber »The Assistant« sich das schüchtern-scheue Auftreten seiner Protagonistin zu eigen machte und das widerwärtige Geschehen aus sich wegduckender Perspektive unauffällig beobachtete, walzt »The Royal Hotel« in Ton und Gestus breitbeinig, großkotzig und lautstark quasi aus der Gegenrichtung heran. Und während dort der Täter lediglich in seinen Hinterlassenschaften sichtbar wurde, reißt hier eine versoffene, schwitzende Männerhorde zotige Witze; und das ist nur der Anfang. Mal entsetzt, mal genervt beobachtet von Hanna und Liv, die sich, je nach eigenem Grad der Nüchternheit, mal mehr, mal weniger bedroht fühlen. »The Assistant« prangerte unter anderem das Versagen offizieller Instanzen an, »The Royal Hotel« propagiert Selbstermächtigung und Höllenfeuer für Machismo-Biotope.

Lustig anzusehen ist das freilich nicht, spielt Green doch mit den Zuschauererwartungen und den Konventionen des Exploitation-Kinos. Dass sie diese nicht bedient, vielmehr immer wieder überraschende Auflösungen für das Verhalten der Männer und Frauen findet, macht den Film zu einem sehenswerten Beitrag nicht nur zur #metoo-Debatte. Frauen und Männer werden »The Royal Hotel« sehr wahrscheinlich sehr unterschiedlich sehen.

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