Kritik zu Monk in Pieces

© Real Fiction Filmverleih

Ein Talent, das nicht zu überhören ist: Billy Shebar und David C. Roberts porträtieren Leben und Werk der alle Genregrenzen sprengenden Musiker:innen-Legende Meredith Monk

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Das erste Theaterstück, das je in der Guggenheim-Rotunde New Yorks aufgeführt wurde, hatte es in sich: Unter Bildern von Roy Lichtenstein versammelten sich 1969 in einer Inszenierung namens »Juice« 75 Stimmen, 40 Maultrommeln und eine elektronische Geige. Die Performer:innen trugen Rot und Weiß, wuselten die Rundgänge auf und ab und vokalisierten rhythmisch im Chor.

Sowohl Frank Gehrys Architektur als auch Lichtensteins meisterliche Pop-Art mit einem eigenen Musikstück herauszufordern, das die dadurch entstehende Interdisziplinarität nicht fürchtet, sondern feiert – diese Verve hatte die Performerin, Choreographin und Komponistin Meredith Monk schon mit 27 Jahren. Der Dokumentarfilm »Monk in Pieces« über die mittlerweile 82-jährigen Künstlerin erzählt von einem nicht einfachen, beeindruckend erfüllten Leben: 1965, erklärt Monk, habe sie die Stimme als universale Sprache, als Instrument erkannt – unabhängig von Worten. 

Früh wurde die Tochter zweier Musiker­:innen wegen ihres Schielens mit dem Konzept der »Dalcroze Eurhythmics« vertraut gemacht: »Ich lernte meinen Körper über Musik kennen«, sagt sie im Film, »andere lernten Musik über ihren Körper kennen!« Das begabte Kind praktiziert Tanzen, Klavier und Gesang – und mixt später alles so eigenwillig, dass die Werke weder reine Oper noch »nur« Kunst-Performance werden. Sanft chronologisch geht Regisseur Billy Shebar relevante Punkte in Monks Œuvre ab, erzählt von überbordenden Ideen, die – auch wegen struktureller Misogynie – lange als Nischenkunst galten: In den 70ern und 80ern lassen Kritiken Unverständnis und Verachtung für das »Mädchen« durchblicken. Und damals, erzählt eine dennoch nie verbitterte Monk, erschufen Zeitungsartikel Karrieren. 

Sichtbar ist ihr Einfluss auf Künstler:­innen wie Yoko Ono, Kate Bush, Björk, die Dramaturgin Constanta Macras oder die Komponistin Rebecca Saunders. Auch der Philip-Glass-Vergleich fällt stets – aber die schmale Zopfträgerin mit dem breiten Lachen verschwindet nicht hinter ihrer Kunst, wird nie zu abstrakt und lässt Natureinflüsse zu: Im Vorfeld zu einem ihrer von Vogel- und anderen Tierlauten geprägten Stücke habe sie im Wald gesessen und zunächst schüchtern »Piep-Piep« geflötet, kichert sie. Am Ende imitiert sie das Gepiepe so überzeugend, dass sich wahrscheinlich jeder Buchfink angesprochen fühlt.

Erst ab den 90ern wurden die Kritiken positiver, die Uraufführung von Monks Oper »Atlas« in Houston feiert man. Zum 40. Bühnenjubiläum gibt es eine Ehrenaufführung in New York – der Film zeigt Proben im Manhattaner Künstlerloft, in dem Monk seit fast 50 Jahren lebt, arbeitet, Blumen gießt und mit Schildkröte »Neutron« schmust.

Regisseur Shebar bleibt affirmativ und bedient einige Klischees – etwa dass Kunst aus Schmerz geboren wird, bei Monk soll es zunächst eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung und später der Tod ihrer Lebenspartnerin sein. Dabei hätte Monk in jedem Fall zu ihrem Ausdruck gefunden: Das Talent ist unüberseh- und hörbar.

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