Kritik zu Milch ins Feuer

© Filmperlen

2024
Original-Titel: 
Milch ins Feuer
Filmstart in Deutschland: 
07.08.2025
L: 
78 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Lakonie trifft Sinnlichkeit: Drei ­Generationen von Bäuerinnen ­zwischen ländlichem Alltag, Arbeit und Zukunftsplanung

Bewertung: 4
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Das deutsche Kino hat nicht zu Unrecht den Ruf, spröde zu sein. In Justine Bauers Debüt »Milch ins Feuer« mischt sich diese Eigenschaft mit einer bildsprachlichen Sinnlichkeit und einer guten Portion Lakonie. Es ist die Geschichte eines Sommers auf dem Land, bei dem verschiedene Generationen von Bäuerinnen im Mittelpunkt stehen. Katinka (Karolin Nothacker) ist gerade mit der Schule fertig und will Bäuerin werden, so wie ihre Mutter (Johanna Wokalek) und ihre Oma (Lore Bauer) vor ihr. Die Mutter sieht in der sich immer weniger auszahlenden Landwirtschaft allerdings keine Zukunft und wünscht sich für ihre Töchter ein anderes Leben. Katinka packt trotzdem beim Kühemelken, beim Einfahren des Heus oder beim Kastrieren der Lamas mit an. Ihre Freizeit verbringt sie mit ihren beiden jüngeren Schwestern und ihrer Freundin Anna (Pauline Bullinger) meistens am Teich, wo sie Abkühlung suchen. Anna ist ungewollt schwanger und überlegt, was aus ihr werden soll. Dazwischen passiert einiges, aber nichts, was die landwirtschaftlichen Kreisläufe durcheinanderbringen oder gar unterbrechen könnte. 

Regisseurin Justine Bauer weiß, wovon sie erzählt. Sie ist auf einer Straußenfarm aufgewachsen, kennt sich in der Landwirtschaft aus und wollte auch die Krise, in der sich diese befindet, nicht aussparen. Zu ihrem präzise beobachtenden Blick trägt die mutige Entscheidung bei, ihre Figuren Hohenlohisch sprechen zu lassen. Johanna Wokalek arbeitete dafür mit einem Dialektcoach und fügt sich hemdsärmelig und zupackend in den mehrheitlich aus Laien bestehenden Cast ein. Die Darstellerin der Katinka fand Bauer durch einen Aufruf in einer Lokalzeitung. Ihre Schwestern werden von den echten Schwestern der Schauspielerin gespielt, Bauers eigene Oma spielt Katinkas Oma im Film. 

Von familiärer oder ländlicher Idylle ist »Milch ins Feuer« trotzdem weit entfernt. Das Leben als Landwirtin ist hart und rentiert sich schlecht. Der an Routinen und dem Wetter ausgerichtete Alltag, der Umgang mit Tod (von Tieren und Menschen) und Fortpflanzung (ebenfalls beide Spezies) mag auf Städter*innen in einigen Szenen brutal oder empathielos wirken, ist aber schlicht pragmatisch. Bauer zeigt Menschen, die nah an der Natur sind und das Leben nehmen, wie es kommt. Männer sind kaum präsent und wie der Nachbarbauer oder der Vater von Annas ungeborenem Kind überfordert. 

Ungewöhnlich realistisch ist, wie Bauer die Frauen zeigt: schuftend, ungeschminkt, mit Pickeln im Gesicht und Dreck an den Händen. Pedro Carnicers sinnliche Bildsprache und das organische Sounddesign schaffen im Kontrast dazu poetische Bilder: Das spritzende Wasser im Badeteich, das Rascheln des trocknenden Grases nach der Ernte, die Bürste auf dem Fell eines Ochsen – all das offenbart haptische, cineastische Qualität. Ein widerspenstiges Debüt zu einem bisher kaum beachteten Thema, das wenig ausspricht, nichts verschleiert und einen selten gesehenen Blick auf die Landwirtschaft in Deutschland wirft.

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