Kritik zu Metéora

OmeU © Kairos Filmverleih

In der Krise, die Griechenland erfasst hat, dreht der in den USA ausgebildete Filmemacher Spiros Stathoulopoulos einen Film, der das Land seiner Väter mit der Seele sucht

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2 (Stimmen: 4)

Dreißig Jahre nachdem die monumentale thessalische Felslandschaft um die Meteora-Klöster als Kulisse in James Bond 007 – In tödlicher Mission herhielt, siedelte Spiros Stathoulopoulos hier eine zeitlose Liebesgeschichte an. Sein Film Meteora präsentiert keine touristischen Oberflächenreize, sondern konzen­triert sich auf die schier unüberwindliche Distanz zwischen einem Frauenkloster in Gipfellage und dem benachbarten Män­nerkloster. Die Russisch sprechende Nonne Urania (Tamila Koulieva) wird in einem Netz an Seilzügen die Steilwand herabgelassen, um mit den alten Frauen der Gegend für die Klosterversorgung tätig zu sein und die Liturgie mit ihnen zu feiern. Theodorus (Theo Alexander) steigt endlos über Treppen von seinem Kloster herab zu einem alten Hirten, der noch das Panflötenspiel beherrscht und die Ziege schlachtet, die der Mönch für die Geliebte zubereitet.

Die Menschen dieses Mikrokosmos' wirken heutig, ihr Alltag und die rhapsodische Wucht der orthodoxen Liturgie ewig unveränderbar. Kamera und Montage machen die Schönheit der Landschaft, das luftige Spiel von Licht und Schatten, Nebel und Transparenz zu eindrucksvollen Mitspielern. Felsen, Höhlen, Wälder erschweren die Wege zwischen Himmel und Erde und sind doch Rückzugsorte für die Begegnung der Liebenden. Urania und Theodorus sind sich in diesem Zwischenreich längst begegnet, wenn der Film einsetzt. Er sendet Zeichen in ihre Zelle, um sich mit ihr zu verabreden, sie bestraft sich für ihr wachsendes Begehren, indem sie die Hand in eine Kerzenflamme hält, öffnet aber doch das Fenster und lässt die Blinklichter herein.

Über die abgehobene Sphäre der Klöster und ihre in sich ruhenden Tagesabläufe hinweg erträumt das Protagonistenpaar den Abschied vom Regelwerk der Tradition. Beichten oder Dispute mit der geistlichen Obrigkeit – die klassischen Muster des Narrativs vom abtrünnigen Klosterinsassen – lässt Meteora jedoch außen vor. Der Glanz der religiösen Zeremonien, die Rhapsodie gemeinsamer Gebete, ritueller Holzschläge und polyphoner Gesänge steht für eine spirituelle Dimension, in der beide trotz ihrer Grenzüberschreitung zu Hause sind. Verzicht oder Erfüllung, spirituelle Gemeinschaft oder persönliches Glück – Meteora beschreibt den Konflikt der ans Schweigen Gewöhnten als inneren Tumult, einmal nur angesprochen, wenn Urania dem Geliebten die Übersetzung der russischen Worte »Verzweiflung« und »Freiheit« nahebringt.

Ihr Schwanken zwischen Sehnsucht und Skrupel erzählt der Film in Animationen. Inspiriert von der Ikonenmalerei entwickelte Stathoulopoulos mit einem Team deutscher Grafiker märchenhafte Traum-  und Alptraumszenen, in denen der Absturz in die Hölle am Fuß des Klosters droht und eine weiße Taube den Abgrund überwindet. Weder restauratives moralisches Traktat noch ein Emanzipationspamphlet, feiert Meteora den Schwebezustand, auf den vielleicht die Loslösung von alten Fesseln folgt.

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