Kritik zu Landstück

© Salzgeber

2016
Original-Titel: 
Landstück
Filmstart in Deutschland: 
03.03.2016
L: 
122 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Landvermessung: In seinem neuen Film kehrt Volker Koepp in das »Landstück« zurück, dessen Wandlungen er im Jahr 2002 in »Uckermark« und bereits 1976 in »Das weite Feld« dokumentierte

Bewertung: 5
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Wie einen Gast, den man zu Besuch in der Heimat mitbringt, nimmt Volker Koepp den Zuschauer mit in die Region zwischen Berlin und Stettin, die im Guten wie im Schlechten den Namen einer »Kulturlandschaft« verdient. Eine Landschaft als »kultureller Wert«, die aber von sozialer und ökologischer Verödung bedroht sei, so der Biologe und Agrarwissenschaftler Michael Succow, Träger des Alternativen Nobelpreises 1997. Die Ländereien der Uckermark, jahrhundertelang historischen Umwälzungen und wechselnden Herrschern ausgesetzt, zu DDR-Zeiten zu riesigen Anbauflächen zwangskollektiviert und nach der Wende von der Treuhandgesellschaft in Privatbesitz überführt, sind in weiten Teilen längst zur Beute agrarindustrieller Konzerne geworden. Gigantische, künstlich gedüngte Monokulturen von Mais und Raps, Massentierhaltung für die Fleischproduktion, und ein rapide anwachsender Energiebedarf, gestillt mit Solar- und Windkraftanlagen, lassen die Rückzugsräume seltener Tiere und Pflanzen, die sich nach der Wende wieder hier ansiedelten, kleiner werden. Europas modernste Agrarregion bringt, so Succow, nicht nur einen Verlust an Biodiversität mit sich, sie vernichtet auch Arbeitsplätze und führt zu einem weiteren Exodus aus dieser ohnehin dünn besiedelten Region.

»Hier haben die Menschen gelernt, alleine zu sein«, sagt eine junge Frau, die sich dennoch entschlossen hat, hier zu leben, und jeden Morgen gebannt in den weiten Himmel über der von Endmoränen geprägten Landschaft schaut. Auch andere Bewohner haben den Kampf für eine bäuerliche und gegen die industrielle Landwirtschaft aufgenommen, Bauern, die ökologischen Landbau betreiben, Schäfer, die Naturschutzgebiete beweiden, Familien, die seit Generationen hier leben und arbeiten. Volker Koepp kennt viele dieser Menschen und bringt sie auf seine entspannt plaudernde Art selbst zum Reden, von der Bodenreform etwa, die in den fünfziger Jahren viele Bauernfamilien in den Westen trieb. Eine Runde alter Frauen, die alle ihre Männer lange überlebt haben, erzählt vom Wechsel der Zeiten. Kurze Ausschnitte aus Koepps vorangegangenen Filmen über die Uckermark dokumentieren ebenfalls diesen Wechsel, der in den Augen mancher der Befragten nicht immer einer zum Guten war.

Volker Koepp, der seinen Film nur mit wenigen Kommentaren aus dem Off begleitet, findet für all das so faszinierende Bilder (Kamera: Lotta Kilian), dass der oft strapazierte Ausdruck von den »blühenden Landschaften« einen neuen Sinn bekommt. Die weiten Himmel der See- und Landstücke des Malers Caspar David Friedrich habe er geliebt, sagt Koepp an einer Stelle. Dieser Himmel, die fast ehrfürchtigen Blicke hoch in die Kronen der Buchenwälder, unterlegt mit einer Partitur aus Vogelgezwitscher und anderen Geräuschen der Natur, die Panoramen der sanften Hügel im Herbst: Hier sei – trotz allem – »ein Stück Landschaft für die Menschheit gerettet« worden, schwärmt der Biologe Michael Succow. Koepps Film ist auch ein Plädoyer, dieses »Landstück« zu verteidigen.

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